»Apotheken dürfen keine Hamsterkäufe machen!« |
Die SPD-Gesundheitsexpertin Heike Baehrens meint, dass die Lieferengpässe bei Arzneimitteln auch wegen eines Verteilungsproblems zustande kommen und appelliert an die Apotheken nicht zu hamstern. / Foto: IMAGO/Future Image
Fiebersäfte, Antibiotika, Protonenpumpenhemmer, Neuroleptika – die Liste der Arzneimittel mit Lieferschwierigkeiten nimmt stetig zu. Die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geführte Engpass-Liste umfasst inzwischen mehr als 300 Positionen – und das sind nur die offiziell gemeldeten. Für die Apothekenteams wird es immer schwieriger, Alternativen zu finden, um die Patienten zu versorgen.
In dieser Situation sorgen in der Apothekerschaft derzeit Aussagen aus der Politik und dem Krankenkassen-Lager für Ärger, die implizieren, dass auch die Apotheken selbst eine Mitschuld an der Versorgungslage haben. Im ZDF-Mittagsmagazin meldete sich heute beispielsweise die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Heike Baehrens, zu Wort und appellierte an Apotheken und Großhändler, keine Hamsterkäufe zu tätigen. »Es macht uns allen Sorge, dass Familien von Apotheke zu Apotheke laufen müssen.«
Um kurzfristig eine Besserung der Lage zu erreichen, verwies Baehrens auf den Lieferengpass-Beirat beim BfArM, der erst kürzlich Empfehlungen erarbeitet hat. »Die Empfehlungen enthalten beispielsweise einen klaren Appell an Großhändler und Apotheken: Keine Hamsterkäufe machen, sondern nur Vorrat von einer Woche anlegen, damit diese Medikamente bundesweit ankommen.«
In der Tat hatte das BfArM nach einer Beiratssitzung in dieser Woche unter anderem diese Empfehlung kommuniziert. »Es wird dringend empfohlen, eine Bevorratung, die über das Maß eines wöchentlichen Bedarfs hinausgeht, sowohl in Apotheken als auch in vollversorgenden pharmazeutischen Großhandlungen zu unterlassen. Eine Bevorratung im üblichen Umfang oder darüber hinaus ist mit den aktuellen Beständen nicht realisierbar bzw. wird zu einer Unterversorgung an anderer Stelle führen. Dieser Appell richtet sich insbesondere an öffentliche Apotheken und Großhandlungen«, heißt es auf der Seite der Behörde.
Der Beirat habe zudem darüber gesprochen, gegenüber Großhändlern und Apothekern eine Kontingentierung für gewisse Wirkstoffe auszusprechen, dies aber wegen der unterschiedlichen Versorgungslage in den Apotheken dann unterlassen. Die PZ hatte über die Empfehlungen des Beirats für die Apotheken berichtet.
Und auch Baehrens sieht in der derzeitigen Lage eher »ein Verteilungsproblem«. Schließlich seien die gefragten Medikamente in einigen Regionen »wahrscheinlich auf Lager«. Die SPD-Politikerin wies zudem darauf hin, dass Apotheken ihren Patienten – wenn möglich – auch andere Darreichungsformen anbieten sollten. Zudem sollten die Apotheken Arzneimittel auch selbst herstellen und dafür auch die Kosten erstattet bekommen, so die SPD-Gesundheitsexpertin.
Für Aufregung in den Apotheker-Gruppen der sozialen Medien sorgen auch die Aussagen von Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Institutes der AOK (WIdO). In einem Interview mit dem Deutschlandfunk meint der AOK-Experte zunächst, dass die Lage gar nicht so dramatisch sei. »Knapp 300 verschiedene Arzneimittel fehlen derzeit. Bei über 60.000 verschiedenen Arzneimitteln ist das eine überschaubar kleine Menge. Die Lage ist nicht dramatisch. Schließlich gibt es immer auch die Möglichkeit zu fragen: Gibt es nicht einen anderen Großhändler?«
Und auch auf Herstellerebene gebe es eine »Vielzahl von Alternativen im generischen Segment«. Immerhin: Auch Schröder erkennt an, dass die Hauptursache der Engpässe an der Produktionsverlagerung nach Asien ist. Die Hersteller hätten die Produktion der Wirkstoffe in andere verlegt, »wo man preiswerter produzieren kann«. Wirkstoffe würden beispielsweise in China und Indien produziert, Blister in der Türkei und in Deutschland würden die einzelnen Bestandteile dann zum Endprodukt zusammengefasst. »Ohne Krieg und Pandemie funktionieren die Prozesse. Nun muss man sich fragen, ob sie noch resilient sind.«
Als Lösungsvorschlag sieht Schröder die Idee, die Hersteller zur Lagerhaltung zu verpflichten. Am Rabattvertragssystem will er nichts ändern. Ganz im Gegenteil. Die Rabattverträge hätten einen »Riesenvorteil«. Schröder führt hier die in den Verträgen festgehalten Sanktionen an, also Vertragsstrafen. Diese werden bei Nicht-Lieferbarkeit des Produktes fällig. »Dadurch sind die Hersteller jetzt schon in der Pflicht, sie wollen doch einen Schadenersatz vermeiden.«
Und auch der GKV-Spitzenverband hat sich zur aktuellen Versorgungslage bei Arzneimitteln geäußert und die Apotheken aufgefordert, keine Arzneimittel zu horten. Die Vorstandsvorsitzende des Verbandes, Doris Pfeiffer, erklärt in einer Pressemitteilung, dass die Kassen nun auf die Hilfe der Apotheken setzen – eine Extra-Vergütung für das Lieferengpass-Management lehnt Pfeiffer aber ab. Wörtlich sagte sie: »In der aktuellen Situation sind die Apotheken und ihre Kompetenzen gefordert. Wir vertrauen darauf, dass in dieser Notsituation das Fachpersonal den Patientinnen und Patienten mit Rat und Tat beiseite steht. Kein Verständnis haben wir, wenn in dieser angespannten Lage für diese ureigene Aufgabe der Apotheken nach zusätzlichem Geld gerufen wird. Wir haben unter anderem ein Verteilungsproblem und rufen, so wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Apotheken und Großhandel auf, dringend benötigte Arzneimittel nicht zu horten.« Zur Erklärung: ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hatte zuletzt mehrfach gefordert, dass Apotheken eine Vergütungspauschale für das Management der Defekte erhalten.