Pharmazeutische Zeitung online

Versandhandel gefährdet Verbraucherschutz

14.10.2002  00:00 Uhr
Apothekertag 2002

Versandhandel gefährdet Verbraucherschutz

Der Diskussion um die Arzneimittelvertriebskosten wird in Deutschland eindeutig ein zu hoher Stellenwert eingeräumt. In seinem Geschäftsbericht zum Deutschen Apothekertag 2002 in Berlin wertete ABDA-Hauptgeschäftsführer Professor Dr. Rainer Braun die Auseinandersetzung als ein Manöver, um von den wahren Problemen der GKV-Finanzmisere abzulenken.

Braun begründete die negativen Bilanzen der GKV mit der wachsenden Arbeitslosigkeit, reduzierten Patientenzuzahlungen und diversen Verschiebungen zu Lasten der Kassen. Insgesamt sei so das Beitragsaufkommen um 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte gesunken.

Obwohl die wahren Ursachen der Finanzmisere in der GKV bekannt seien, rechtfertige die Politik Beitragserhöhungen mit den hohen Arzneimittelausgaben. Die Suche nach einem Schuldigen gestalte sich umso leichter, als die GKV-Ausgaben für Medikamente im vergangenen Jahr um 9,7 Prozent stiegen. Damit lag der Ausgabenzuwachs rein rechnerisch zufällig in der Größenordnung des GKV-Defizits, so der Hauptgeschäftsführer.

Trotz des stetig wachsenden Anteils älterer chronisch Kranker an der Bevölkerung seien die Arzneimittelausgaben aber im Verhältnis zu den GKV-Gesamtkosten in den letzten Jahren konstant bei 14 bis 16 Prozent geblieben. Selbst durch drastische Einsparungen im Arzneimittelsektor könne es also nicht gelingen, die hohen GKV-Ausgaben zu kompensieren. Auch die Gesamtvertriebskosten, also der auf Großhandel und Apotheken fallende Anteil, befinden sich laut Braun seit 1978 »im kontinuierlichen Sinkflug«. Deutschland liege heute im europäischen Vergleich im unteren Mittelfeld.

Braun bezifferte die Vertriebskosten auf 4 Prozent der GKV-Gesamtausgaben, eine Summe, die um ein Drittel niedriger als die Verwaltungskosten der Kassen liegt. All diese Fakten würden von keinem Experten im Gesundheitswesen bestritten. Obwohl die Vertriebskosten im Mittelpunkt jeder Kostendiskussion stünden, ließen sich so die wahren Probleme der GKV-Finanzmisere nicht einmal ansatzweise lösen.

Die Diskussion um Arzneimittelausgaben wird auch in der neuen Legislaturperiode eine dominierende Rolle spielen, prognostizierte der Hauptgeschäftsführer in seinem Statement wenige Stunden vor Bekanntgabe der neusten Sparpläne aus den Koalitionsverhandlungen.

Verbraucherschutz in Gefahr

»Wer den Versandhandel legalisiert und die Arzneimittelversorgung liberalisiert, der tut dies auf Kosten des Verbraucherschutzes«, warnte Braun. Bisher gültige gesundheitspolitische Argumente würden einfach über Bord geworfen. Apothekenpflicht und -monopol, einheitlicher Apothekenabgabepreis sowie das Fremd- und Mehrbesitzverbot seien keine überkommenen Standes- und Zunftrechte. Der Gesetzgeber habe diese Regelungen teilweise erst in den 90er-Jahren eingeführt, um die Arzneimittelversorgung sicherzustellen und die Verbraucher zu schützen.

Aut idem ad absurdum

Leider sei die im Kern wünschenswerte Aut-idem-Regelung nachträglich auf Grund des massiven Drucks von Ärzteschaft und Industrie »vollends ad absurdum« geführt worden, kommentierte der ABDA-Hauptgeschäftsführer. Das nachgeschobene Substitutionsverbot bei preisgünstiger Verordnung und entsprechende Preisreaktionen der Pharmaindustrie ließen der Apothekerschaft keinen Spielraum. Das jetzige System habe mit Aut idem nichts mehr gemein. Unter diesen Bedingungen sei es nicht zu rechtfertigen, von einer Aut-idem-Regelung zu sprechen. Es handele sich vielmehr um eine modifizierte und verschärfte Festbetragsregelung. Die Apotheker fühlten sich politisch missbraucht.

Zahlreiche gerichtliche Verfügungen und Klagen gegen ABDA, die Werbe- und Vertriebsgesellschaft sowie ABDATA zeugten von der ungenauen Gesetzesformulierung. Erst gerichtliche Interpretationen konnten klären, was der Gesetzgeber eigentlich wollte. Braun forderte schnellstmöglich geänderte Auswahlkriterien, zum Beispiel in Form eines Preisindexsystems.

Trennlinie erhalten

Als Teilerfolg wertete Braun die verabschiedeten Änderungen im Apothekengesetz. Der ABDA sei es gelungen, die Trennlinie zwischen Krankenhausapotheke und Offizin zu erhalten. Dennoch sieht er bei einigen Regelungen noch Diskussionsbedarf.

Die Unterschriftenaktion habe leider zu einer Abkühlung des bislang guten Klimas zwischen Bundesgesundheitsministerium und ABDA geführt, sagte Braun zur »Initiative Pro Apotheke«. Diese Aktion richte sich aber weder gegen eine Person noch gegen eine Partei und sei nicht als Eingriff in den Wahlkampf zu verstehen. Die ABDA hoffe, das es jetzt, nach der Wahl, zu einer »emotionsfreien« Sachdiskussion komme. Dazu zähle allerdings auch die rechtliche Würdigung eines nationalen Versandhandelsverbots im Kontext mit dem EU-Recht.

Braun bedankte sich bei allen Kolleginnen und Kollegen für die große Solidarität mit den Opfern der Elbeflut im August. Das Hochwasser hätte in Sachsen fast 10 Prozent aller Apotheken getroffen. Braun: »Die zur Bewältigung der Flutkatastrophe vom Berufsstand gezeigte Solidarität wünscht sich die ABDA auch bei der politischen Auseinandersetzung um die Zukunft der Apotheken«.

Der Geschäftsführer warnte vor politischen Aktivitäten auf eigene Faust, die den Berufsstand aufsplittern. Offene und konstruktive Kritik sei der ABDA jederzeit willkommen. Gruppierungen die allerdings vor dem Hintergrund einer Strukturwende auf eigene Vorteile hofften, müssten mit erbittertem Widerstand rechnen.

zurück

 

Top

© 2002 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa