Maximal vier gilt auch für OHGs |
22.09.2003 00:00 Uhr |
Ab 1. Januar 2004 werden Apothekerinnen und Apotheker voraussichtlich die Option zum Filialbesitz nutzen können. Allerdings ist der Mehrbesitz auf maximal drei Filialapotheken und auf den benachbarten Kreis oder die benachbarte kreisfreie Stadt begrenzt. Damit gelänge vielleicht der Spagat, trotz Mehrbesitz die etablierten Strukturen zu erhalten, so Tisch während des Arbeitskreises 1 der Hauptversammlung. Ob die Politiker an diesen Bemühungen auch in Zukunft festhalten werden, sei allerdings unklar.
Voraussetzung für Filialbesitz ist ein Antrag auf Erteilung einer „Erlaubnis zum Betrieb mehrerer öffentlicher Apotheken“. Dabei handelt es sich um eine eigenständige Erlaubnis, die alternativ neben die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke tritt. Wer eine Form der Erlaubnis besitzt, kann daneben keine andere Betriebserlaubnis erhalten, ohne dass die bereits vorhandene Erlaubnis erlischt. Inhaber der Erlaubnis können ausschließlich Apothekerinnen und Apotheker sein.
Wie bisher ist die Rechtsform der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) möglich. Ebenso wie Gesellschafter der OHG bisher keine weitere Betriebserlaubnis für eine andere Apotheke erhalten konnten, kann auch neben der Erlaubnis zum Betrieb mehrerer öffentlicher Apotheken keine weitere Erlaubnis für den Betrieb einer Individualapotheke oder eines weiteren Filialverbundes erteilt werden. „So wie der Gesetzesentwurf dies jetzt vorsieht, kann danach keine Vielzahl von Filialverbünden unter einen Hut gebracht werden“, betonte Tisch.
Auch der Versandhandel wird in dem Gesetzesentwurf deutlich begrenzt. Er bedarf zukünftig einer eigenen Erlaubnis, die nur dem Betriebserlaubnisinhaber einer öffentlichen Apotheke erteilt werden darf. Für diejenigen, die den Versandhandel ohne Erlaubnis aufnehmen, halte der Gesetzgeber ein „scharfes Schwert“ parat, sagte Tisch. Sie müssten mit Schließung ihrer Apotheke rechnen.
Nicht nur Bestelladresse
Des weiteren stehe fest, dass die dafür benötigten Räume Betriebsräume der Apotheke sein müssen. Somit können Apotheken nicht als reine Bestelladresse fungieren, während die Versendung aus von Dritten betriebenen Versandzentren erfolgt. Dem Konzept externer Unternehmen mittels einer Strohapotheke den Marktzugang zu erlangen, dürfte somit endgültig ein Riegel vorgeschoben sein. Besonders in diesem Punkt sei im Vorfeld so Manchem die Fantasie durchgegangen, sagte Tisch.
Der Botendienst über das Internetportal der ABDA sei eine wichtige Weichenstellung für die Kundenbindung, erklärte Tisch. Dem Apotheker böte sich die Chance, schneller und pharmazeutisch qualifiziert die Botenzustellung als bessere Alternative zu forcieren. Seiner Einschätzung nach sollte diese Option den Verbraucher – sofern nicht Dritte steuernd eingreifen – rasch von der Zweitrangigkeit des Versandhandels überzeugen. Die Medien haben das neue Angebot durchweg positiv aufgenommen. Erstmals werden die Apotheker nicht mehr in die „Ecke der Ewiggestrigen“ gestellt, kommentierte ABDA-Präsident Hans-Günter Friese die Berichterstattung zum Botendienst der Apotheker über aponet.de.
Zu einer auf Dauer nicht akzeptablen Wettbewerbsverzerrung führe die geplante erweiterte Einbindung der Krankenhausapotheken und der krankenhausversorgenden Apotheken in den ambulanten Bereich, wenn deren preisliche Privilegierung erhalten bleibt, so Tisch. Allerdings beschränkt sich die Abgabebefugnis im aktuellen Gesetzesentwurf auf Arzneimittel zur unmittelbaren Anwendung in den Räumen des Krankenhauses, betonte er. Krankenhausapotheken werde damit nicht die Möglichkeit eingeräumt, Patienten, die zum Beispiel an der integrierten Versorgung teilnehmen, für den häuslichen Bereich mit Arzneimitteln zu versorgen. Im Gesetzesentwurf habe der Gesetzgeber deutlich die grundsätzliche Öffnung der Krankenhausapotheken für den ambulanten Bereich ausgeschlossen. „Hier erfolgte nachträglich eine sehr wichtige Festlegung“, stellte Tisch klar. Trotzdem müsse politisch darauf gedrängt werden, die ambulante Arzneimittelversorgung einem einheitlichen Preisregime zu unterstellen, unabhängig davon, ob die Leistungen von Krankenhausapotheken, krankenhausversorgenden Apotheken oder öffentlichen Apotheken erbracht werde.
Keine Vorteile für gesetzestreue Versender
Die während der Diskussion geäußerte Sorge, dass eine krankenhausversorgende Versandapotheke Wettbewerbsvorteile gegenüber der Individualapotheke habe, entkräftete Tisch. Die Versandapotheke habe keine Preisprivilegierung und auch keine Vorteile was das Sortiment angeht – vorausgesetzt, die Apotheker halten sich an die geltenden Gesetze und setzen die Krankenhausware nur zur Belieferung des Krankenhauses ein. Auch bei einer Ausschreibung habe eine solche Apotheke keine entscheidenden Vorteile, denn sie bewirbt sich grundsätzlich entweder für die Krankenhausversorgung oder für den öffentlichen Bereich mit den entsprechenden Regularien und der entsprechenden Ware. Tisch: „Bei korrekter Handhabung gibt es hier keine Verwerfungen.“
Die wohnortnahe Individualapotheke habe im Wettbewerb nur dann eine Chance, wenn ihre Leistungen für Krankenkassen und Patienten gleichermaßen attraktiv sind. Insgesamt bieten die anstehenden Gesetzesänderungen den Apothekern die große Chance, bestehende Dienstleistungen zu intensivieren und weiterzuentwickeln, sagte Tisch. Die zukünftige Spezialisierung der Apotheken sollte jedoch nicht dazu führen, Teile des Berufsstands gegeneinander in Stellung zu bringen, warnte Tisch.
Kommentar: Gratwanderung Ganz so einfach wie einige Interessierte es erhofft und viele Apotheker es befürchtet hatten, wird die Bildung von Apothekenketten auch nach der anstehenden gesetzlichen Neuregelung nicht sein. Vor allem die Gründung von Offenen Handelsgesellschaften (OHG), zu denen sich mehrere Apotheker mit ihren jeweils drei Filialen zusammenschließen könnten, bereitete vielen Kollegen Sorge. Damit wäre es theoretisch möglich, regional größere Ketten, bestehend aus mehreren Hauptapotheken und deren drei Filialen zu gründen, so die Befürchtung.
Der Gesetzgeber hat dem jedoch einen Riegel vorgeschoben, machte ABDA-Geschäftsführer Lutz Tisch klar. Denn auch eine OHG darf, wie ein einzelner Apotheker, insgesamt maximal vier Apotheken betreiben. Vielleicht ist damit tatsächlich der Drahtseilakt gelungen, den Mehrbesitz begrenzt zu erlauben und trotzdem die bestehenden Strukturen zu bewahren. Die Gefahr, dass ganze Regionen von einer Apothekenkette versorgt werden, und der Heilberuf gänzlich hinter kaufmännischen Interessen zurückstehen muss, ist zumindest vorerst gebannt.
Für diejenigen Apotheker, die sich als Heilberufler verstehen, ist das eine gute Nachricht, sie können zunächst aufatmen. Ob die Erleichterung letztlich von Dauer sein wird, ist derzeit noch unklar. Es ist schwer abzuschätzen, ob die Politiker an der strikten Begrenzung des Mehrbesitzes auch in Zukunft festhalten werden oder diese Vorgaben nur größeren Ketten den Weg bereiten sollen. Die Entscheidung darüber wird auch davon abhängen, ob die Apothekerinnen und Apotheker der Öffentlichkeit und der Politik den Vorteil von heilberuflich geführten Apotheken verdeutlichen können.
Dr. Ulrike Wagner
Redakteurin
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