Chancen für die Zukunft |
22.09.2003 00:00 Uhr |
Natürlich sei es zu kritisieren, dass in den vergangenen Jahren allein die Kosten der Arzneimittelversorgung im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gestanden hätten. Niemand habe auf Hinweise hören wollen, dass die Finanzierungsprobleme der Gesetzlichen Krankenversicherung keinesfalls Resultat hoher Ausgabensteigerungen, sondern vielmehr zurückgehender Einnahmen seien. Zudem hätten die Krankenkassen in der heißen Phase des Gesetzgebungsverfahrens mit bewussten Falschmeldungen über die Entwicklung der GKV-Arzneimittelausgaben versucht, in die Entscheidungen einzugreifen, kritisierte Keller.
Bei allem berechtigten Zorn der Apotheker über das Gesetzgebungsverfahren forderte der DAV-Vorsitzende seine Kollegen dennoch dazu auf, den Blick nach vorne zu richten: „All das Klagen bringt nichts . Wir sollten unsere Kraft nicht mit der Vergangenheitsbewältigung vergeuden, sondern zur Gestaltung der Zukunft einsetzen.“
Die aus Sicht der Apotheker wichtigsten Änderungen gebe es bei der Neugestaltung der Arzneimittelpreisverordnung bei gleichzeitiger Freigabe der OTC-Preise sowie dem Kombimodell als neue Preisverordnung, sagte Keller. Vor allem das neue Vergütungsmodell berge große Chancen für die Apotheker. Es werde die Rolle der Apotheker als unabhängige pharmazeutische Berater stärken. Keller ist davon überzeugt, dass die Abkopplung der Honorierung vom Preis, dazu führen wird, dass der Apotheker in der Öffentlichkeit noch besser objektiv beraten kann und somit stärker als Heilberufler wahrgenommen wird. Keller: „Die unabhängige Beratung durch den Apotheker ist das Pfund mit dem wir wuchern können.“ Die unabhängige Beratung, der Ausbau pharmazeutischer Dienstleistungen sowie die Hausbelieferung durch pharmazeutische Boten werde die Apotheke auch zukünftig vom anonymen Versender unterscheiden.
Rosinenpicker ohne Basis
Keller sieht im Kombimodell auch Vorteile für Industrie und Großhandel. Es verhindere, dass im Versandhandel Rosinenpicker die wirtschaftliche Basis einer wohnortnahen, hochwertigen und persönlichen Arzneimittelversorgung zerstörten. Die Hersteller könnten sich darauf verlassen, dass auch in Zukunft die flächendeckende Versorgung garantiere, dass alle Arzneimittel an jedem Ort in Deutschland zur Verfügung stünden. Die notwendige kompetente und persönliche Beratung zu ihren Produkten stehe auch weiterhin rund um die Uhr zur Verfügung.
Für völlig falsch hält Keller die Regelungen für OTC-Arzneimittel. Sowohl deren Herausnahme aus der Erstattungsfähigkeit als auch die Preisfreigabe seien falsch. Es gebe keinen Grund dafür, dass nicht rezeptpflichtige Arzneimittel nicht mehr zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen. Die Apotheker hätten immer wieder betont, dass diese Entscheidung therapeutisch unsinnig sei und die erhofften Einsparungen durch Substitutionseffekte zu Nichte gemacht würden.
Auch die Freigabe der Preise von Selbstmedikationsarzneimitteln werde nicht den von der Politik erwünschten Effekt haben, ist Keller sicher. „Preissenkungen kann ich nicht erkennen.“ Ein Blick auf andere Staaten zeige, dass die OTC-Preise auch nach der Freigabe stabil blieben. Zudem seien die Spannen schon heute so gering, dass eine weitere Absenkung der Preise unmöglich sei.
Die Beteiligung der Krankenhausapotheken an der ambulanten Versorgung ist Keller ebenfalls ein Dorn im Auge. Allerdings glaubt er nicht, dass die vom Gesetzgeber erwarteten Einsparungen realisiert werden könnten. Der Gesetzgeber gestatte zwar den Krankenhäusern, auch in der ambulanten Versorgung von der Preisverordnung abzuweichen. Dabei übersehe er aber, dass die neue Preisverordnung es den Krankenhäuser kaum ermögliche, die Preise der öffentlichen Apotheken zu unterbieten. Dies sei allein über Einkaufsvorteile möglich, die nicht im Sinne von Großhändlern und Herstellern sein könnten.
Sonderkonditionen für Apotheker
In der nächsten Zeit werde sich zeigen, ob die Industrie bereit sei, auch im ambulanten Bereich Sonderkonditionen zu bieten. Sollte dies für Krankenhäuser gelten, würden die öffentlichen Apotheken diese Vorteile auch für sich einfordern.
Noch keine konkreten Aussagen konnte Keller zu den Auswirkungen des geplanten Mehrbesitzes machen. Entscheidend sei, ob die Regelung aus dem GMG-Entwurf juristisch haltbar sei. Keller: „Wenn es bei dem im Gesetz vorgesehenen begrenzten Mehrbesitz bleibt, dann wird sich für den Kunden wenig ändern. Wenn nicht, dann bleibt, bildlich gesprochen, kein Stein mehr auf dem anderen.“ Würde tatsächlich der Fremdbesitz zugelassen, ändere sich da Bild der Apotheke schlagartig in Richtung Drogeriemarkt. Die notwendige pharmazeutische Betreuung der Patienten würde durch reines Kommerzdenken ersetzt, der Apotheker zum Händler degradiert.
Die Zahlen der größten pharmazeutischen Fachmesse Europas können sich auch in diesem Jahr sehen lassen: Auf 17.400 m² präsentierten 70 Aussteller ihre Produkte.
© 2003 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de