Antikörper mit neuem Target bei multiplem Myelom |
Annette Rößler |
26.09.2023 14:30 Uhr |
Die Grundlage der Zulassung bildete die einarmige, offene Studie MonumenTAL-1, an der 339 Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem multiplen Myelom teilnahmen. Die Teilnehmer waren mindestens dreifach vorbehandelt; unter den Vortherapien mussten ein Immunmodulator, ein Proteasom-Inhibitor und ein Anti-CD38-Antikörper gewesen sein. Bezüglich der Wirksamkeit von Talquetamab wurden nur Patienten ausgewertet, die zuvor keine T-Zell-Redirektionstherapie erhalten hatten. Dies waren 143 Patienten, die Talquetamab in der Dosierung 0,4 mg/kg KG wöchentlich erhielten, und 145 Patienten mit der Dosierung 0,8 mg/kg KG alle zwei Wochen.
Aus der erstgenannten Gruppe sprachen 106 Patienten (74 Prozent) auf die Therapie an. Bei 34 Patienten (24 Prozent) handelte es sich dabei um eine stringente komplette Remission, bei 14 (10 Prozent) um eine komplette Remission, bei 37 (26 Prozent) um ein sehr gutes partielles Ansprechen und bei 21 (15 Prozent) um ein partielles Ansprechen. In der Gruppe mit zweiwöchentlichem Dosisintervall lag die Gesamtansprechrate bei 72 Prozent (104 Patienten), wobei 43 Patienten (30 Prozent) eine stringente komplette Remission zeigten, 13 (9 Prozent) eine komplette Remission, 32 (22 Prozent) ein sehr gutes partielles Ansprechen und 16 (11 Prozent) ein partielles Ansprechen. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug in der ersten Gruppe 9,5 Monate und war in der zweiten Gruppe nach 12,7 Monaten noch nicht abschätzbar.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Zytokin-Freisetzungssyndrom (77 Prozent), Geschmacksstörung (72 Prozent), Hypogammaglobulinämie (67 Prozent), Nagelerkrankungen (56 Prozent), Muskel- und Skelettschmerzen (48 Prozent), Anämie (47 Prozent), Hauterkrankungen (43 Prozent) und andere. Häufigste schwerwiegende Nebenwirkungen waren unter anderem Zytokin-Freisetzungssyndrom (13 Prozent), Fieber (5 Prozent) und ICANS (3,8 Prozent).
Talvey ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C und im Originalkarton zu lagern. Vorbereitete Spritzen sollen sofort angewendet werden. Falls dies nicht möglich ist, können sie bis zu 24 Stunden bei Kühlschrank- oder Raumtemperatur (15 bis 30 °C) gelagert werden.
Auch wenn der neue Antikörper Talquetamab erst ab der Viertlinie beim bisher unheilbaren multiplen Myelom zugelassen ist, kann er vorläufig als Sprunginnovation betrachtet werden. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen adressiert der bispezifische Antikörper eine neue Zielstruktur: GPRC5D, das auf der Oberfläche von Zellen des multiplen Myeloms exprimiert wird. Wie die klinischen Ergebnisse zeigen, hat Talquetamab zum anderen das Potenzial, eine wichtige Behandlungsoption für jene Patienten zu sein, deren Krankheit trotz derzeit verfügbarer Therapien weiter fortschreitet. Die hohen Gesamtansprechraten bei stark vorbehandelten Patienten, einschließlich jenen mit vorheriger T-Zell-Redirektionstherapie, sind tatsächlich als äußerst positiv zu werten.
Mit Spannung darf man auf weitere Ergebnisse mit Talquetamab warten. Der Antikörper wird derzeit in mehreren Monotherapie- und Kombinationsstudien untersucht. Neben Wirksamkeitsdaten wird man selbstverständlich auch das Sicherheitsprofil weiter prüfen müssen. Denn leider ist auch die Liste möglicher Nebenwirkungen bei Talquetamab keine kurze. Allerdings gibt es im Vergleich zu anderen Therapeutika beim multiplen Myelom Hinweise darauf, dass Talquetamab weniger Einfluss auf die humorale Immunfunktion hat und weniger Infektionen auftreten. Sollte sich das bestätigen, gäbe es noch einen zusätzlichen Pluspunkt für den Neuling.
Sven Siebenand, Chefredakteur