Antikörper gegen Tumorkachexie |
Sven Siebenand |
31.03.2025 12:30 Uhr |
Bei Tumorerkrankungen kann die Kachexie die Wirksamkeit von Krebsbehandlungen beeinträchtigen. Zudem geht man davon aus, dass sie zu einer Verringerung der Überlebensrate beiträgt und bis zu 30 Prozent der krebsbedingten Todesfälle verursachen kann. / © Getty Images/ manonallard
In den vergangenen Jahren haben Forschende große Fortschritte beim Verständnis der Entstehung der Tumorkachexie gemacht und gleichzeitig Hinweise auf mögliche Targets zur Behandlung gefunden. Ein vielversprechender Therapieansatz scheint der Wachstumsdifferenzierungsfaktor 15 (growth differentiation factor, GDF-15) zu sein. Untersuchungen zeigen, dass dieses Stress-induzierte Zytokin im Blut von Menschen mit Kachexie häufig in hoher Menge vorhanden ist.
Dabei ist GDF-15 nicht nur ein Indikator für Kachexie, sondern vermutlich auch aktiv an der Entstehung beteiligt. Es bindet an den Rezeptor GFARL (glial cell-derived neurotrophic factor family receptor alpha-like protein) im Gehirn. Der GDF-15-GFARL-Signalweg hat sich als wichtiger Modulator von Anorexie und Körpergewicht erwiesen und ist an der Entstehung der Kachexie ganz offensichtlich beteiligt.
In Tiermodellen löste GDF-15 einen Kachexie-Phänotyp aus und die Hemmung von GDF-15 milderte dies wieder. Angesichts dieser positiven Ergebnisse wurden schließlich Untersuchungen mit zielgerichteten Anti-GDF-15-Medikamenten am Menschen eingeleitet. Verschiedene Wirkstoffkandidaten, die auf GDF-15 oder auch auf GFRAL abzielen, befinden sich in der Pipeline. Am weitesten vorangeschritten ist die Entwicklung des Anti-GDF-15-Antikörpers Ponsegromab.
Im »New England Journal of Medicine« sind die Ergebnisse einer Phase-II-Studie veröffentlicht worden. Die randomisierte Doppelblindstudie schloss insgesamt 187 Menschen mit Lungen-, Bauchspeicheldrüsen- oder Darmkrebs ein. Um an der Studie teilnehmen zu können, mussten diese erhöhte GDF-15-Werte im Blut aufweisen und in den vorangegangenen sechs Monaten ungewollt mindestens 5 Prozent ihres Körpergewichts verloren haben – eine anerkannte Definition von Kachexie. Die Teilnehmer der Verumgruppen erhielten über drei Monate alle vier Wochen eine subkutane Ponsegromab-Injektion (100 mg, 200 mg oder 400 mg). Die Teilnehmer im Kontrollarm spritzten ein Placebo.
Der primäre Endpunkt war die Veränderung des Körpergewichts gegenüber dem Ausgangswert nach zwölf Wochen. Zu den sekundären Endpunkten zählten Appetit und Kachexie-Symptome sowie die körperliche Aktivität. Die Ergebnisse: Am Ende der Studie war die Gewichtszunahme in den Verumarmen im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant höher: Der mittlere Unterschied zu Placebo betrug unter 100 mg Ponsegromab +1,22 kg, unter 200 mg Ponsegromab +1,92 kg und unter 400 mg Ponsegromab +2,81 kg. In der 400-mg-Ponsegromab-Gruppe wurden im Vergleich zu Placebo auch Verbesserungen bei der Messung von Appetit und Kachexie-Symptomen sowie bei der körperlichen Aktivität beobachtet.
Darüber hinaus galten alle Ponsegromab-Dosen als sicher und wiesen ein ähnliches Nebenwirkungsprofil wie im Placeboarm auf. Behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse traten bei 8,9 Prozenten der Patienten unter Placebo und bei 7,7 Prozent der Patienten unter Ponsegromab auf.