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Demenz-Therapie

Antidementiva früh ansetzen, Neuroleptika möglichst absetzen

Das medikamentöse Arsenal an Antidementiva ist äußerst überschaubar, die Gesamtmedikation der Patienten dagegen meist nicht. Was bei der pharmazeutischen Betreuung von Demenz-Patienten zu beachten ist, erklärte AMTS-Managerin Sabine Haul bei einer Hamburger Online-Fortbildung von Apothekerkammer und DPhG.
AutorKontaktDaniela Hüttemann
Datum 17.02.2023  16:00 Uhr

Eine Demenz-Erkrankung überfordert meist den Betroffenen und seine Angehörigen und leider oft genug aus Personal- und Zeitmangel auch seine Pflegekräfte. Apotheken können hier nicht nur bei der medikamentösen Therapie unterstützen, sondern als niedrigschwelliger Ansprechpartner mit Lotsenfunktion auch zu einer frühen Diagnose verhelfen und frühzeitig an andere Hilfsangebote verweisen, hieß es bei einer gemeinsamen Online-Fortbildungsveranstaltung unter dem Titel »Honig im Kopf« von der Apothekerkammer und DPhG-Landesgruppe Hamburg.

Zur Behandlung der Demenz an sich gibt es weiterhin nur sehr eingeschränkte Therapiemöglichkeiten, erläuterte die Hamburger Apothekerin und AMTS-Managerin Sabine Haul: die Acetylcholinesterase-Hemmer Donepezil, Galantamin und Rivastigmin, die bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz und möglichst früh gemäß Leitlinie zum Einsatz kommen sollen.

Sie werden aufgrund möglicher Nebenwirkungen wie Bradykardie, Übelkeit, Erbrechen, Magen-Darm-Beschwerden und Müdigkeit einschleichend dosiert (niedrig starten, Dosiserhöhung erst nach zwei bis vier Wochen). »Das Aufdosieren sollte langsam passieren, darf aber nicht vergessen werden«, so Haul. Rivastigmin und Galantamin können für eine bessere Verträglichkeit zum Essen eingenommen werden. Alternativ kann auf ein Rivastigmin-Pflaster gewechselt werden. Bei guter Verträglichkeit können Antidementiva fortlaufend gegeben werden. 

Der Glutamat-Rezeptorantagonist Memantin wird bei mittleren bis schweren Demenzen eingesetzt. Er kann zwar müde machen, aber auch für motorische Unruhe sorgen. Daher sollte er nicht nach 16 Uhr gegeben werden. Haul warnte zudem vor zahlreichen Interaktionen und riet zur Vorsicht bei Niereninsuffizienz.

Antidementiva nicht für alle Demenzformen geeignet

»Etwa ein Drittel profitiert von Antidementiva«, berichtet Haul. Die Symptome bessern sich, auch psychiatrische. Zudem könne die Selbstständigkeit länger erhalten bleiben. Ein Drittel zeige zwar keine Besserung, doch wenn die Medikamente gut vertragen werden, sollen sie beibehalten werden, weil sie vermutlich die Progression verzögern – auch wenn sich die Demenz-Symptome verschlechtern, denn ganz Aufhalten lässt sich die Demenz nicht. Ein Drittel dagegen verträgt Antidementiva nicht, dann sollte abgesetzt werden.

»Antidementiva eignen sich nicht für alle Demenzformen«, so die Referentin. Bei Alzheimer können sie (inklusive Ginkgo) gemäß Leitlinie eingesetzt werden, bei vaskulärer Demenz und Mischformen VD/AD auch, auch wenn hier die Evidenz fehle. Bei Demenz bei Parkinson-Patienten kommen Rivastigmin und Donepezil infrage. Bei einer Lewy-Körperchen Demenz werden Acetylcholinesterase-Hemmer off Label eingesetzt. »Eine Demenz gehört immer in fachärztliche Hände und die Differenzialdiagnostik ist wichtig«, betonte Haul. Grundsätzlich hätten nicht medikamentöse Maßnahmen einen sehr hohen Stellenwert bei Demenz.

Antipsychotika sind keine Dauerlösung

Neben den Antidementiva kommen bei Demenz-Patienten auch sehr häufig Antidepressiva und Antipsychotika zum Einsatz. Dabei wird der Einsatz von Antipsychotika kritisch gesehen, da sie zu häufig genutzt würden, um Demenz-Patienten »ruhigzustellen«. Dabei seien sie bei auffälligem Verhalten ohnehin nur begrenzt wirksam.

»Wenn ein Patient »schwierig« wird, lohnt sich auf jeden Fall zunächst eine Ursachenforschung«, betonte Haul. Hat der Patient vielleicht Schmerzen? »Hier kann eine angemessene Schmerztherapie Verhaltensauffälligkeiten positiv beeinflussen«, so Haul. Weiter solle man sich fragen, ob andere körperliche Beschwerden wie Übelkeit, Herzrasen oder ein entgleister Blutzucker oder Blutdruck vorliegen. Oder ist der Patient überfordert von der Situation und Umgebung, hat er Angst? Könnten neu angesetzte Medikamente die Ursache sein?

Wenn Antipsychotika zum Einsatz kommen sollen, seien niedrig potente Vertreter wie Melperon und Pipamperon oder atypische Neuroleptika wie Quetiapin oder Risperidon Mittel der der Wahl (bei Parkinson und Lewy-Body-Demenz ausschließlich Clozapin oder Quetiapin!) – und das in möglichst niedriger Dosierung und nicht länger als sechs Wochen. Das Absetzen werden jedoch häufig nicht probiert. Eine Bedarfsmedikation sah die Apothekerin kritisch: »Dann wird schnell zu hoch dosiert.«

»Antipsychotika bei Demenz erhöhen das Risiko für Schlaganfälle, Todesfälle allgemein, Delir, Hyponatriämie, Stürze, motorische (Parkinson-ähnliche) sowie anticholinerge Symptome«, warnte Haul. Daher sollten regelmäßige Absetzversuche erfolgen.

Schlafmittel zurückhaltend einsetzen

Typisch bei Alzheimer-Demenz ist auch ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus, was für die Angehörigen sehr belastend sein kann. »Dieser lässt sich in der Regel aber nicht medikamentös behandeln«, so Haul. Benzodiazepine können theoretisch kurzfristig eingesetzt werden, haben aber zahlreiche Nebenwirkungen, die besonders bei Demenz-Patienten kontraproduktiv sind (Verschlechterung der Kognition, Sturzgefahr, Schluckbeschwerden, erhöhte Anspannung/Unruhe).

»Benzodiazepine gegen Schlafstörungen sollten nur bei erheblicher Belastung der Patienten zum Einsatz kommen«, machte die Referentin deutlich. Alternativen seien Mirtazepin, die Antipsychotika Melperon und Pipamperon oder auch Melatonin oder Agomelatin, jedoch alle nicht zur dauerhaften Anwendung. Sie erinnerte auch daran, dass eine Sedierung des Patienten tagsüber kontraproduktiv sei, da der Bewegungsdrang sich dann in der Nacht verstärkt äußern könnte.

Grunderkrankungen behandeln, Therapie vereinfachen

Haul erinnerte daran, dass Demenz-Patienten in der Regel noch an anderen behandlungsbedürftigen Grunderkrankungen wie Hypertonie oder Diabetes leiden. »Deren Behandlung fällt manchmal hinten rüber, da die Patienten es oft nicht mehr regelmäßig in die Arztpraxis schaffen«, berichtete die Apothekerin. Hier gelte es, immer wieder die Zielwerte wie Blutdruck und Blutzucker zu überprüfen, die bei älteren Patienten höher liegen dürfen, um Nebenwirkungen wie Schwindel und Hypoglykämien mit Sturzgefahr zu vermeiden. Auch Blutwerte, Nierenfunktion und Gewicht sollte man im Blick behalten.

Mitunter könne es aber auch zu Verschreibungskaskaden kommen, wenn also Medikamente Nebenwirkungen auslösen, die mit weiteren Arzneimitteln behandeln werden sollen. Haul: »Daher sollte die gesamte Medikation regelmäßig überprüft werden, Stichwort Deprescribing.« Bei hochbetagten Patienten könne man manche Mittel zur Primär- und Sekundärprophylaxe angesichts der nur noch kurzen Lebenserwartung hinterfragen.

Eine Vereinfachung der Therapie, auch in der Handhabung, ist immer gut. Zudem brauche der Patient, vor allem wenn er sich noch selbst versorgt, einen möglichst übersichtlichen Medikationsplan, in dem nicht zu viel rumgestrichen ist aufgrund von Änderungen oder weil der Patient hier mehrere Pläne von verschiedenen Ärzten selbst zusammengeführt hat. »Einer muss hier Ordnung reinbringen, damit alle wieder den Überblick haben«, sagte Haul und meinte damit natürlich die Apotheker. Wochendosetten erleichtern ebenfalls den Überblick.

Anticholinerge Last berücksichtigen, besonders bei Demenz

Ein besonderer Fokus bei der Medikationsanalyse sollte bei älteren Menschen generell auf anticholinerg wirksamen Wirkstoffen und deren Notwendigkeit liegen – auch in der Selbstmedikation (siehe Kasten). Eine gute Orientierung, welche Arzneistoffe bei älteren Menschen generell potenziell geeignet oder inadäquat sind und Handlungsalternativen bieten die FORTA-Liste (Fit for the Aged) und die Priscus-Liste. Letztere ist erst vor Kurzem aktualisiert und erweitert worden.

Wichtig sei, die Therapieziele wie Lebensqualität, Selbstständigkeit, Mobilität und soziale Teilhabe gemeinsam mit Patient und Angehörigen zu definieren und zu berücksichtigen, welche Beschwerden vorrangig behandelt werden sollen. Die Medikation ist dabei nur ein Teil des Gesamtkonzepts.

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