Antidementiva früh ansetzen, Neuroleptika möglichst absetzen |
Daniela Hüttemann |
17.02.2023 16:00 Uhr |
Haul erinnerte daran, dass Demenz-Patienten in der Regel noch an anderen behandlungsbedürftigen Grunderkrankungen wie Hypertonie oder Diabetes leiden. »Deren Behandlung fällt manchmal hinten rüber, da die Patienten es oft nicht mehr regelmäßig in die Arztpraxis schaffen«, berichtete die Apothekerin. Hier gelte es, immer wieder die Zielwerte wie Blutdruck und Blutzucker zu überprüfen, die bei älteren Patienten höher liegen dürfen, um Nebenwirkungen wie Schwindel und Hypoglykämien mit Sturzgefahr zu vermeiden. Auch Blutwerte, Nierenfunktion und Gewicht sollte man im Blick behalten.
Mitunter könne es aber auch zu Verschreibungskaskaden kommen, wenn also Medikamente Nebenwirkungen auslösen, die mit weiteren Arzneimitteln behandeln werden sollen. Haul: »Daher sollte die gesamte Medikation regelmäßig überprüft werden, Stichwort Deprescribing.« Bei hochbetagten Patienten könne man manche Mittel zur Primär- und Sekundärprophylaxe angesichts der nur noch kurzen Lebenserwartung hinterfragen.
Eine Vereinfachung der Therapie, auch in der Handhabung, ist immer gut. Zudem brauche der Patient, vor allem wenn er sich noch selbst versorgt, einen möglichst übersichtlichen Medikationsplan, in dem nicht zu viel rumgestrichen ist aufgrund von Änderungen oder weil der Patient hier mehrere Pläne von verschiedenen Ärzten selbst zusammengeführt hat. »Einer muss hier Ordnung reinbringen, damit alle wieder den Überblick haben«, sagte Haul und meinte damit natürlich die Apotheker. Wochendosetten erleichtern ebenfalls den Überblick.
Die Referentin brachte einige Fallbeispiele aus ihrer eigenen Erfahrung mit, darunter eine Patientin mit den Diagnosen Alzheimer-Demenz, Krankenhaus-Aufenthalt wegen einer neu aufgetretenen Epilepsie und Dranginkontinenz. Als Beschwerden gaben die Patientin beziehungsweise ihre Angehörigen Schwindel, Unruhe und Schlafstörungen an; auch der Ehemann bekam kaum noch Schlaf. Auf dem Medikationsplan standen Cinnarizin und Promethazin vom Hausarzt, Oxybutynin von der Urologin, Sertralin wurde im Krankenhaus angesetzt, anschließend verordnete der Neurologe Melperon und Levetiracetam.
Haul führte eine pharmazeutische Medikationsanalyse durch und besprach ihre Änderungsvorschläge mit den Ärzten. Daraufhin wurde das Oxybutynin (hohes anticholinerges Potenzial) zunächst gegen Trospium mit einem besseren UAW-Profil ersetzt, welches in der Folge sogar auch noch abgesetzt werden konnte. Sertralin ist bei Epilepsie kontraindiziert und wurde auf niedrig dosiertes Mirtazepin umgestellt. Zwar senkt auch Mirtazapin die Krampfschwelle (seltene Nebenwirkung). Der Vorteil dieses tetrazyklischen Antidepressivums ist jedoch, dass es auch sedierend und damit schlaffördernd wirkt.
Cinnarizin und Promethazin (auch hohes anticholinerges Potenzial) wurden beide abgesetzt, da keine echte Indikation vorlag und beide anticholinerge Nebenwirkungen haben können. Der Schwindel verschwand daraufhin. Die Melperon-Gabe konnte reduziert werden und war im weiteren Verlauf nicht mehr nötig. Das Antiepileptikum Levetiracetam wurde beibehalten. Somit konnte die Dauermedikation von sechs auf zwei Medikamente reduziert werden – und der Patientin ging es deutlich besser.