Pharmazeutische Zeitung online
US-Studie

Antibiotikagabe bei Kleinkindern kann Impfschutz herabsetzen

Die Gabe von Antibiotika im frühen Kindesalter könnte die Wirksamkeit von Impfungen negativ beeinflussen. Behandelte Kinder wiesen in einer US-amerikanischen Studie niedrigere Antikörpertiter gegen einige Impferreger auf als unbehandelte Kinder.
dpa
PZ
28.04.2022  16:30 Uhr

Dass Antibiotika die Wirkung von Impfungen bei Erwachsenen verringern können, wurde in einer Studie von 2019 bereits beschrieben. Ob dies auch auf Kleinkinder zutrifft, die zum Lebensstart ja eine ganze Reihe von Impfungen erhalten, hat nun ein Team um die Mediziner Dr. Timothy Chapman und Professor Dr. Michael Pichichero vom Rochester General Hospital Research Institute genauer untersucht. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forscherinnen und Forscher im Fachjournal »Pediatrics«. Für die Untersuchung wertete das Team Blutproben von 560 Kindern in ihren ersten sechs bis 24 Lebensmonaten. Die Proben waren im Rahmen mehrerer Vorsorgeuntersuchungen sowie bei Auftreten einer akuten Mittelohrentzündung entnommen worden. 342 Kinder aus dieser Kohorte hatten insgesamt fast 1700 Einheiten Antibiotika in den ersten 24 Lebensmonaten erhalten, während 218 Kinder keine bekamen.

Die Forschenden analysierten dann die Antikörperlevel der Kinder für die Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Polio, Keuchhusten, Influenza und Pneumokokken. Das Ergebnis: Bei den mit Antibiotika behandelten Kindern waren die Antikörperlevel im Durchschnitt geringer als bei denjenigen, die keine Antibiotika erhalten hatten.

Bei jenen Kindern, die die Medikamente zwischen dem neunten und zwölften Lebensmonat oder wiederholt bekamen, lagen diese Level besonders häufig unter den Konzentrationen, die für einen Immunschutz als relevant angesehen werden. »Damit hätten sie ein erhöhtes Risiko, an Infektionen zu erkranken, die durch die Erreger, gegen die geimpft wurde, ausgelöst werden«, erläutert Professor Dr. Ulrich Schaible, Direktor des Programmbereichs Infektionen am Forschungszentrum Borstel, gegenüber dem Science Media Center Germany.

Ein differenzierterer Blick auf die Ergebnisse zeigt, dass etwa das Antibiotikum Amoxicillin allein keinen Effekt hatte, in Kombination mit Clavulansäure, einem Inhibitor des Enzyms Lactamase, das β-Laktam-Antibiotika spaltet, aber schon. Solche Kombinationspräparate werden aufgrund ihres erweiterten antibakteriellen Wirkungsspektrums verschrieben. »Auch ist interessant, dass die Kombination aus Amoxicillin und Clavulanat nach fünf Tagen einen geringeren Effekt auf die Antikörperproduktion hatte als nach einer Gabe für zehn Tage«, sagt Schaible: »Kürzer Antibiotika zu geben scheint also besser zu sein.«

Der Experte merkt aber an, dass der Einfluss der Krankheiten, wegen derer die Antibiotika gegeben wurden, auf die Antikörperbildung nach der Impfung unabhängig von der Antibiotikagabe analysiert werden müsste. Das würde bedeuten, Kinder mit ähnlichen Erkrankungen zu untersuchen, die keine Antibiotika erhielten. Zudem seien Antikörper nur ein Teil der immunologischen Antwort auf einen Impfstoff, ergänzt Dr. Claudius Meyer von der Universitätsmedizin Mainz: »Das T-Zell-vermittelte Immungedächtnis wurde in der Studie zwar nicht untersucht, wird aber nach begründetem Verständnis auch induziert worden sein und somit eine Schutzwirkung vermitteln können.«

Darmmikrobiom nicht untersucht

Das Team um Chapman vermutet in der Publikation, dass ein durch die Antibiotikagabe aus dem Gleichgewicht geratenes Darmmikrobiom den Impferfolg beeinträchtigen könne. .»Antibiotika, die in der frühen Kindheit oft gegen eine Mittelohrentzündung verschrieben werden, greifen nicht nur die gefährlichen Bakterien im Ohr an, sondern auch die nützlichen Bakterien des Darmmikrobioms«, beschreibt Dr. Cornelia Gottschick von der Universität Halle-Wittenberg den zugrundeliegenden Zusammenhang. »Die Balance der Bakterien mit unserem Immunsystem wird dadurch gestört und es ist denkbar, dass Impfungen dadurch nicht mehr ihre volle Wirkung zeigen, was zu einem verminderten Immunschutz führen kann.«

Dieser Zusammenhang bleibe in der aktuellen Studie theoretisch, da das Darmmikrobiom eben nicht untersucht worden sei. Entsprechende Stuhlproben von den Kindern waren nicht genommen worden. Möglicherweise könnte eine Einnahme von Probiotika zum Schutz des Darmmikrobioms den in der Studie beobachteten Effekt reduzieren, so Gottschick weiter. Das müsse allerdings noch erforscht werden.

Ebenso wenig lasse sich derzeit sagen, ob die mit Antibiotika behandelten Kinder nachgeimpft werden sollten, fügt Meyer hinzu: »Möglicherweise wäre eine Nachkontrolle zum dritten oder fünften Lebensjahr hilfreich, um den Bedarf nach einem Booster zu erkennen.« In einigen Ländern würden einige der betrachteten Impfstoffe ohnehin im Laufe der Kindheit aufgefrischt. »Ob dann nach einer Auffrischimpfung die Kinder mit Antibiotikagabe noch von der Kontrollgruppe zu unterscheiden wären, kann nur eine Nachfolgestudie mit den gleichen Kindern zeigen.«

Insgesamt vermittle die neue Studie einen eleganten Nachweis für die problematischen Nebenwirkungen von Antibiotika, fasst Meyer zusammen: »Nicht nur die Resistenzentwicklung bei Antibiotikagabe, sondern auch die physiologischen Effekte, müssen uns zu einem sorgfältigen, auf das Nötigste beschränkten Einsatz von Antibiotika im Kindesalter auffordern.«

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa