Anleitung zum Apotheken-Betrug |
Jennifer Evans |
31.05.2024 10:00 Uhr |
Ein Straffall in den USA zeigt, wie schnell Kriminelle in die Arzneimittellieferketten eingreifen können. / Foto: Adobe Stock/Yauhen
Im Rahmen der Strafverfolgung von Boris Aminov im Bundestaat New York erläutern die Gerichtsdokumente die Methoden des pharmazeutischen Schwarzmarkts. Beschrieben wird, wie der Angeklagte zwischen 2017 und 2023 HIV-Medikamente von Sozialhilfeempfängern kaufte, sie umverpackte und diese dann an Vor-Ort-Apotheken für einen Bruchteil des eigentlichen Großhandelspreises verkaufte.
Ausführlich berichtete über den Fall unter anderem der Zusammenschluss von mehr als 45 gemeinnützigen Organisationen namens Partnership for Safe Medicines (PSM), die sich für die Sicherheit von Rx-Medikamenten sowie den Verbraucherschutz bei Arzneimittelfälschungen einsetzen.
Durch den illegalen Handel mit den HIV-Präparaten hatten Akteure aus dem US-amerikanischen Gesundheitssystem wie Medicaid, Medicare sowie private Versicherungsgesellschaften mindestens 20 Millionen US-Dollar (rund 18,5 Millionen Euro) verloren. Die Patienten selbst sollen Schmiergelder – als Boni kaschiert – in Höhe von bis zu 150 Dollar (etwa 139 Euro) von den Offizinen bekommen haben, damit sie Rezepte in den Mittäter-Apotheken einlösten.
Nachdem der Angeklagte also die abgezweigten Medikamente an seine Komplizen in den jeweiligen Apotheken ausgeliefert hatte, übergab er ihnen eine Liste von Scheinfirmen, um die Geld-Transaktionen besser verbergen zu können. Für die Ermittler habe dieses Vorgehen die Rückverfolgung des Geldes jedoch eher erleichtert, da der Geldfluss an diese Firmen plötzlich erfolgte, heißt es in dem Bericht.
Und das war nicht wenig: Bei der illegalen Abgabe zum Beispiel für das HIV-Medikaments Biktarvy® habe der Gewinn bei knapp 2800 US-Dollar (knapp 2600 Euro) gelegen, so PSM. Vor diesem Hintergrund erscheine es aus finanzieller Perspektive durchaus einleuchtend, warum die betreffenden Apotheken ihren Patienten einen 150-Dollar-Bonus gewährten, wenn sie ihr Rezept dort einlösten. Beim legalen Ein- und Verkauf zu geltenden Erstattungspreisen hätten die Apotheken bei einigen HIV-Medikamenten laut Bericht sogar ein Minusgeschäft gemacht. Neben Biktarvy hatte sich der Verbrecherring auch an den Präparaten Juluca®, Genvoya®, Symtuza®, Triumeq®, Odefsey®, Prezcobix®, Descovy® und Tivicay® bereichert.
Der Angeklagte verfügte zwar nicht über eine Großhandelslizenz und verkaufte zu äußert auffälligen Konditionen, die »zu gut waren, um wahr zu sein«, wie es heißt. Aber das zuständige Board of Pharmacy hätte ihm demnach durchaus eine Großhandelslizenz ausgestellt. Damit wäre es ihm möglich gewesen, selbst gesetzestreue Apothekerinnen und Apotheker reinzulegen, indem er ihnen das Medikament einfach für 50 Dollar statt für 2800 Dollar unter Selbstkostenpreis verkaufte.
Die Gefahr dabei ist, dass ein weniger hoher Rabatt automatisch glaubhafter erscheint und weniger Misstrauen erzeugt, warnt PSM. Und betonte gleichzeitig: Wer Offizinen betrügen will, muss sich Mühe geben, denn sie hätten einen ausgeprägten Spürsinn für Fälschungen. Doch mithilfe einer Großhandelserlaubnis und einem Rabatt, der sich im Rahmen bewegt, wäre auch das kein Problem.