Ampel fordert Enquete-Kommission zur Aufklärung |
In einer Bundestags-Debatte zu Vergabeverfahren von Corona-Schutzmasken sparten Politiker der Union und der Ampelkoalition nicht mit gegenseitigen Vorwürfen. / Foto: trialartinf - stock.adobe.com
Dem Bund drohen nach Informationen des Bundesgesundheitsministeriums hohe finanzielle Risiken aus älteren Streitfällen um die Lieferung von Schutzmasken zu Sonderkonditionen in der Frühphase der Corona-Pandemie. Demnach sind aktuell in etwa 100 Fällen Klagen mit einem Streitwert von insgesamt 2,3 Milliarden Euro erhoben worden.
Um schneller Masken für das Gesundheitswesen zu bekommen, hatte das Ressort unter dem damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) 2020 ein besonderes Verfahren angewendet. Dabei kamen Lieferverträge ohne weitere Verhandlungen zu festen Kaufpreisen zustande. Vielfach verweigerte das Ministerium später die Bezahlung und machte Qualitätsmängel geltend. Daraufhin klagten Lieferanten.
Der Grünen-Abgeordnete Andreas Audretsch kritisierte »wilde Vergabe-Verfahren« und juristisch fragliche Ausschreibungen. Er warf dem früheren Bundesgesundheitsminister Spahn Verantwortungslosigkeit vor. »Es war einer der größten Steuerverschwendungsskandale der Nachkriegszeit«, kritisierte er. Zwar sei die Corona-Zeit eine schwere Zeit gewesen. Dies könne aber kein »Freifahrtschein« für unsachgemäßes Handeln sein. Die Koalition werde die Sache daher aufklären, kündigte Audretsch an. Harsche Kritik übte auch seine Parteikollegin Paula Piechotta. »Einen solchen Fall von Steuervergeudung hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben«, kritisierte sie.
Für eine Aufarbeitung der Pandemie sprach sich auch die FDP-Politikerin Kristine Lütke aus. Sie forderte die Einsetzung einer Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Maskengeschäfte. Das damalige BMG sei in Vielem offenbar überfordert gewesen. »Die Verantwortung für die Überbeschaffung trägt Herr Spahn und die damalige Regierung«, kritisierte ihr Parteikollege Karsten Klein. Fast drei Milliarden Masken hätten vernichtet werden müssen. Es gehe nun darum, Risiken zu verringern und Aufklärung für die Zukunft zu leisten.
Aus Sicht des Gesundheitspolitikers Tino Sorge (CDU) gibt es hingegen keinen Beleg für unsachgemäße Vergaben bei Masken-Aufträgen. Er warf den Abgeordneten der Ampelkoalition »Niedertracht« vor, sie wollten ein »Tribunal« veranstalten. Dem widersprach Lütke: »Es geht nicht um ein Tribunal, sondern um eine ehrliche Aufarbeitung der Entscheidungen, die damals getroffen wurden.«
Der damalige Gesundheitsminister Spahn rechtfertigte das Vorgehen im Jahr 2020 und erinnerte an dringend benötigte Schutzausrüstung im Gesundheitswesen. »Wir mussten in der Not entscheiden.« Die Maskenbeschaffung sei teuer und chaotisch gewesen, aber so sei es allen Ländern gegangen. »Ja, mit dem Wissen von heute würde ich manche Entscheidung anders treffen«, sagte der Ex-Minister. Das damals angewandte Verfahren könne er nicht empfehlen. Er hielt den Grünen vor, »maßlos mit Vorwürfen« zu sein. Auch Spahn sprach sich dafür aus, die Pandemie aufzuarbeiten. »Die Aufarbeitung sollte aber nicht in parteipolitischem Kleinklein steckenbleiben«, forderte er.
Für eine Aufarbeitung sprachen sich auch die SPD-Abgeordneten Heike Baehrens und Svenja Stadler aus. Stadler räumte ein, dass die Pandemie eine Ausnahmesituation gewesen sei. Dennoch sei es verwunderlich, dass eine Dokumentation zur Maskenbeschaffung fehle.
Baehrens erklärte, die SPD habe während der Pandemie die notwendigen Entscheidungen mitgetragen. Doch nun müsse »mit maximaler Transparenz« geklärt werden, ob Steuermittel vergeudet wurden. »Die Masken müssen fallen«, forderte die SPD-Gesundheitsexpertin.
Heidi Reichinnek von der Gruppe der Linken monierte, die Ausschreibungen seien viel zu schlecht gemacht gewesen. Sie sprach sich ebenfalls für die Einsetzung einer Enquete-Kommission zur Aufklärung aus. Jessica Tutti vom »Bündnis Sarah Wagenknecht« (BSW) erklärte, damit werde sich das BSW nicht zufriedengeben. Nötig sei vielmehr die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. »Weder die Ampelkoalition noch die Union haben ein Interesse an Aufklärung«, kritisierte Tutti.
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