»Alle raufen sich die Haare« |
Lukas Brockfeld |
12.09.2024 22:02 Uhr |
In der anschließenden Podiumsdiskussion veranschaulichte die Berliner Apothekerin Dena Rostamzadeh, wie schlimm das Apothekensterben auch für die Patientinnen und Patienten ist: »Jedes Mal, wenn wir ein neues Schild an der Tür aufhängen, fragen die Kunden erschrocken, ob wir unsere Apotheke schließen. Sie fragen: Was wird aus uns? Was sollen wir machen?« Auch wenn sie ihre Offizin nicht aufgeben wolle, leide ihr Betrieb unter der unzureichenden Vergütung und fehlendem Personal.
Auch Inhaberin Melanie Dolfen kennt diese Probleme. Sie beschäftige sich viel mit dem Personal. »Wir verspüren einen starken Rückgang; unser Personal kehrt der Branche den Rücken. Das macht mir Sorgen!« Der PTA- und der PKA-Beruf müssten dringend aufgewertet und besser bezahlt werden. Das sei für viele Apotheken aber aufgrund ihrer schwierigen finanziellen Lage nicht möglich.
Wie unverzichtbar eine wohnortnahe Apotheke für viele Menschen ist, wurde von Nicole Praima veranschaulicht. Ihre 12-jährige Tochter ist pflegebedürftig und benötigt regelmäßig eigens für sie hergestellte Medikamente. »Wenn wir unsere Apotheke vor Ort nicht hätten, dann wären wir aufgeschmissen«, stellte Praima klar.
Als Anne-Kathrin Klemm vom BKK Dachverband nach der in der Apothekenreform geplanten Honorarumschichtung gefragt wurde, sagte sie, »wenn das die Lösung ist, hätte ich gerne mein Problem zurück.« Der Gesundheitsminister adressiere zwar viele reale Probleme, komme aber immer wieder zu den falschen Schlüssen. »Wenn man sich die Umsetzung anschaut, dann raufen sich alle die Haare und sagen, dass es so gar nicht geht«, erzählte Klemm. Ein Beispiel sei das kürzlich vom Bundeskabinett beschlossene Gesundes-Herz-Gesetz. Das werde dazu führen, dass die Kassen künftig viele Primärpräventionsmaßnahmen nicht mehr finanzieren können.
Positiver sah Klemm dagegen die von Lauterbach geplante PTA-Vertretung. »Wir müssen uns fragen, wie wir die Versorgung im ländlichen Raum in Zukunft noch sicherstellen können. Die Alternative ist unter Umständen: gar nicht.« Es sei dann wichtig, dass PTA entsprechende Weiterbildungen erhalten, damit sie eine Apotheke angemessen leiten können. In vielen Ländern gebe es beispielsweise auch hochqualifizierte Pflegefachkräfte, die einige ärztliche Aufgaben übernehmen.
Deutlicher Widerspruch kam von Rostamzadeh. Es sei nicht sinnvoll, PTA aufwendig weiterzubilden, damit sie die Aufgaben von Apothekern übernehmen können. »Die Zahl der Pharmaziestudenten hier in Berlin ist nicht gesunken. Aber der Job des Apothekers ist für sie nicht mehr interessant – die jungen Kolleginnen und Kollegen können sich keine Zukunft in der Apotheke vor Ort vorstellen«, erklärte die Approbierte. Es gebe also eigentlich genug geeignete junge Apotheker, um auch ländliche Regionen zu versorgen. Aber es müssten die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit der Nachwuchs den Schritt in die Selbstständigkeit auch wage.