Alkohol und Tabak bleiben das Hauptproblem |
Mehr als 30 Prozent der erwachsenen Bevölkerung rauchten laut Jahrbuch Sucht im vergangenen Jahr und mehr als jeder Fünfte trank zu viel Alkohol. / © Getty Images/Science Photo Library/Mauro Fermariello
Etwa acht Millionen Mensch in Deutschland sind einer Studie zufolge suchtkrank und Tausende sterben jedes Jahr an den Folgen von Alkoholkonsum und Rauchen. Nach den neusten verfügbaren Zahlen sei von aktuell rund 99.000 Todesfällen im Jahr durch Rauchen und etwa 47.500 Toten durch Alkoholkonsum auszugehen. Das berichtet die Geschäftsführerin der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), Christina Rummel, zur Veröffentlichung des »DHS Jahrbuch Sucht 2025«.
»Deutschland hat ein Alkoholproblem«, sagt Suchtforscher Dr. Jakob Manthey der Deutschen Presse-Agentur. Es sei anzunehmen, dass mehr als ein Fünftel der Bevölkerung Alkohol in riskantem bis suchtkrankem Ausmaß zu sich nehme. Bei etwa 9 Prozent der Bevölkerung im Alter zwischen 18 und 64 Jahren liege dabei Missbrauch oder Abhängigkeit von Alkohol vor. Die große Altersgruppe ab 65 Jahren aufwärts sei noch gar nicht eingerechnet, auch die Jüngeren unter 18 nicht.
»Alkohol ein Zellgift und die Kernfrage ist: Wie gehen wir mit dieser toxischen Substanz um«, fragt sich der Mitautor des Jahrbuchs. »Am besten ist Abstinenz, aber auch jede Reduktion hilft. Es macht einen Unterschied, ob ich drei Bier trinke oder zwei.«
Der Experte vom Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, geht für die vergangenen Jahre relativ konstant von geschätzt gut 45.000 Todesfällen infolge von Alkoholkonsum aus. Chronisches Trinken erhöhe die Risiken für zahlreiche Erkrankungen, darunter bestimmte Krebsarten, Herzprobleme und Leberzirrhose. Hinzu kommen Unfälle infolge von Alkohol am Steuer oder auch Gewaltdelikte unter Rausch.
In Deutschland seien die Preise für alkoholische Getränke in den letzten 20 Jahren deutlich weniger stark gestiegen als für Nahrungsmittel, schildert Manthey. Als jüngeres Beispiel ergänzt Rummel: »Der Orangensaft wird schon wieder teuer, der Preis für die Flasche Wodka bleibt stabil.« Alkohol sei in keinem anderen europäischen Land so erschwinglich wie in Deutschland. Zudem kritisieren die Autoren, dass Alkohol in Deutschland mit wenigen Ausnahmen fast uneingeschränkt beworben werden darf.
Die DHS sieht hier fatale Folgen: Neben der hohen Zahl von Erkrankungen und Sterbefällen verursache Alkohol auch ökonomische Folgekosten von rund 57 Milliarden Euro jährlich. Und viel Leid für das soziale Umfeld der Betroffenen. Es gebe wirksame Gegenmaßnahmen, die aber nicht angepackt würden, moniert Rummel. Neben verstärkter Prävention und Investitionen in die Suchthilfe sollten alkoholische Getränke über die Verbrauchsteuer teurer werden.
Deutschland sei bei den Alkohol-Verbrauchsteuern »so schlecht wie kaum ein anderes Land weltweit«, kritisiert Manthey. An dieser »sehr effektiven Stellschraube« sei seit Jahrzehnten nicht gedreht worden. Die Bierpreise seien zu niedrig, auf Wein werde überhaupt keine Verbrauchsteuer erhoben. Der Staat lasse sich damit auch Steuern in Milliardenhöhe entgehen.
Würden alkoholische Getränke im Durchschnitt im Verkauf um 5 Prozent teurer, werde der Pro-Kopf-Konsum um 2,2 Prozent sinken und es ließen sich 850 alkoholbedingte Todesfälle im Jahr vermeiden, rechnet der Suchtforscher als Modell vor. Der Staat würde zusätzliche 1,4 Milliarden Euro Steuern einnehmen.
Experte Manthey schaut beim Thema Alkohol mit einigem Optimismus auf die Jugend: »Hoffnung habe ich mit Blick auf die jetzige junge Generation, die deutlich weniger trinkt als die Älteren. Da könnte sich ein gesellschaftlicher Wandel ergeben.«