Aktuelle Entwicklungen in Sachen Impfungen |
Nicht nur um die moderne Entwicklung von Impfstoffen ging es beim Tag der Offizinpharmazie. Auch das Impfen in der Apotheke wurde diskutiert. / Foto: Adobe Stock/weyo
Die Impfstoffentwicklung und -herstellung haben in den vergangenen Jahren einen großen Sprung nach vorn getan. Während Lebendimpfstoffe eine CD4- und eine CD8-Antwort hervorrufen, führen klassische Totimpfstoffe wie Influenza- oder Pertussis-Impfstoffe nur zu einer CD4-Antwort, erläuterte Professor Dr. Robert Fürst, Institut für Pharmazeutische Biologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Daher besitzen Lebendimpfstoffe eine höhere Immunogenität, Totimpfstoffe eine bessere Verträglichkeit. Adjuvanzien komme hier eine wichtige Rolle zu.
Genbasierte Impfstoffe wie mRNA-Impfstoffe und Vektorimpfstoffe gegen SARS-CoV-2 nehmen eine Zwischenstellung ein. Bei ihnen handelt es sich um Totimpfstoffe, die aber auch Eigenschaften von Lebendimpfstoffen besitzen. So rufen sie wie diese eine CD4- und eine CD8-Antwort hervor. Das macht sie gut verträglich und auch gut wirksam. Der Clou: Der Körper stellt das Antigen selbst her.
Prof. Dr. Robert Fürst / Foto: DPhG
Bei der reversen Vakzinologie geht man den Weg zum Antigen sozusagen rückwärts: Ausgehend von einer Analyse von Genomsequenzen, die für Oberflächenproteine eines Erregers kodieren, werden aussichtsreiche Kandidaten kloniert und exprimiert und auf ihre immunogenen Eigenschaften getestet. Die Anzucht ganzer Erreger entfällt; Entwicklung, Produktion und erforderlichenfalls Anpassungen der Impfstoffe können so deutlich schneller erfolgen.
Nicht vom Erreger, sondern vom geimpften oder infizierten Individuum gehe man bei der »reversen Vakzinologie 2.0« aus, so Fürst weiter. Mittels funktionellem Hochdurchsatz-Screening wird dabei auf protektive Antikörper getestet. Strukturanalysen lassen Rückschlüsse auf protektive Epitope zu, aus denen wiederum Impf-Antigene entwickelt werden können. Fortschritte nicht zuletzt in der Analytik hätten hierzu wesentlich beigetragen.
Isolierte Antigene sind jedoch häufig weniger immunogen, da weitere Erregerbestandteile, die hierfür eine Rolle spielen, fehlen. Hier kommen Adjuvanzien ins Spiel. Sie übernehmen verschiedene Funktionen: So verbreitern sie die Immunantwort, indem sie die Anwesenheit eines Erregers nachahmen und so eine B- und T-Zell-Antwort ermöglichen. Mit ihnen lässt sich außerdem die erforderliche Antigenmenge und/oder die Zahl der erforderlichen Immunisierungen reduzieren. Sie können die Immunosenszenz vermindern und eröffnen die Möglichkeit von therapeutischen Impfstoffen, etwa zur Behandlung von Krebserkrankungen. Neben unlöslichen Aluminiumsalzen kommen unter anderem O/W-Emulsionen zum Einsatz.
Der Weg ist jedoch noch nicht zu Ende: Als Ziele der nächsten Jahrzehnte nannte Fürst die Verbesserung bestehender, nicht-optimaler Impfungen, die Entwicklung neuer Konzepte gegen »schwierige« Pathogene wie das HI-Virus sowie die Optimierung von Stabilität und Anwendungsart. Die größte Herausforderung seien Impfungen für alle Menschen, schloss er.
Eine Herpes-zoster-Erkrankung gehe mit einem hohen Leidensdruck und dem Risiko für schwere Komplikationen einher, sagte Dr. Berthold Bruckhoff, Referent der Impfakademie von Glaxo-Smith-Kline (GSK), Marburg. Die auch als Gürtelrose bezeichnete Erkrankung stellt eine reaktivierte Windpocken-Infektion dar.
Dass ruhende Viren wieder aktiv werden, wird durch die Immunoseneszenz begünstigt. Diese beginne bei Männern etwa ab dem 35. Lebensjahr, bei Frauen ab dem 45. Auch verschiedene Grunderkrankungen und Therapien können das Risiko für eine Herpes-zoster-Erkrankung erhöhen. Zu diesen Erkrankungen gehören Asthma und COPD, Diabetes mellitus und chronische Niereninsuffizienz.
Dr. Berthold Bruckhoff / Foto: DPhG
Auch Medikamente können eine Immunsuppression verursachen, die zum Ausbruch einer Gürtelrose führen kann, zum Beispiel DMARD (Disease Modifying Anti-Rheumatic Drugs) und JAK(Januskinase)-Inhibitoren. Entsprechende Patientengruppen sollten daher frühzeitig über das Risiko und die Möglichkeit einer Impfung informiert werden.
Die STIKO rät Menschen ab 60 Jahren zu einer Zoster-Impfung, Menschen mit einer Immunschwäche schon ab 50 Jahren. Zugelassene Impfstoffe gibt es aber bereits für Patienten ab 18 Jahren mit Grunderkrankungen. Auch wer bereits eine Gürtelrose überstanden hat, kommt für eine Impfung infrage. Dann kann nach dem Abklingen der Symptome geimpft werden.
Für die Herpes-zoster-Impfung stehen ein Lebendimpfstoff (Zostavax®) und ein Totimpfstoff (Shingrix®) zur Verfügung, sodass auch Patienten, für die eine Impfung mit einem Lebendimpfstoff kontraindiziert ist, einen Impfschutz erhalten können. Dass diese sicher und effektiv sind, zeigen verschiedene Studien. Demnach liegt das Ansprechen über alle Altersgruppen hinweg bei mehr als 90 Prozent. Bei Patienten mit hämatologischen Malignomen liegen sie bei 87,2 Prozent. Die Schutzdauer betrage mindestens sieben Jahre, so Bruckhoff weiter. Die Impfung biete jedoch nicht nur Schutz vor einer Herpes-zoster-Erkrankung. Das zeigten verschiedene Untersuchungen. Demnach hatten Geimpfte im Vergleich zu Ungeimpften auch ein geringeres Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall.
Wenn es um die Grippeimpfquote geht, hat Deutschland noch deutlich Luft nach oben, sagte Dr. Thorsten Lehr, Professor für Klinische Pharmazie an der Universität des Saarlands. Dabei könnten die Apotheken mithelfen. Lehr stellte die Evaluation des Modellprojekts zur Grippeimpfung im Saarland vor, in dem in der letzten und vorletzten Saison verschiedene Aspekte abgefragt wurden. Obwohl bis in den März hinein geimpft worden war, fanden die meisten Impfungen im November statt. Im ersten Jahr benötigten die Apotheken durchschnittlich 15 Minuten für eine Impfung, im zweiten Jahr nur noch elf Minuten.
Auf das Angebot sind die Impfwilligen auf verschiedenen Wegen aufmerksam geworden: Information in der Apotheke, Mund-zu-Mund-Propaganda und Flyer in der Apotheke wurden dabei häufig genannt. Auch die Zufriedenheit mit den Informationen zur Impfung und der Impfung selbst wurden erfragt. Beide wurden von den meisten Befragten als sehr gut oder gut bewertet.
Als Gründe für die Entscheidung, sich in der Apotheke impfen zu lassen, nannten sie unter anderem die gute Erreichbarkeit und die Kompetenz der Mitarbeiter. Wichtig war für viele der Befragten auch, dass sie für die Impfung keine Wartezeiten in Kauf nehmen mussten. Rund 90 Prozent der Befragten würden sich sicher oder wahrscheinlich auch gegen andere Erkrankungen in der Apotheke impfen lassen, wenn dies angeboten würde.
Think big: Rund 250.000 Impfungen gegen Covid-19 wurden in den Impfzentren von Apotheker Dr. Björn Schittenhelm, Inhaber der Alamannen- und Schönach-Apotheke Holzgerlingen und der Bären-Apotheke in Esslingen, durchgeführt. Allein beim »Holzgerlinger Impfmarathon« waren es rund 5000 Impfungen an einem Tag mit durchschnittlich 2:40 Minuten pro Impfung; 17 Ärzte, 250 Helfer aus der Gemeinde und Sponsoren aus der regionalen Wirtschaft waren beteiligt. Das Angebot entstand, als die Schließung der Impfzentren eine große Lücke hinterließ. Schwere Reaktionen oder Notfälle seien dabei bisher nicht aufgetreten, berichtete er.
Es geht aber auch kleiner: Um Impfungen anzubieten, ist nicht viel Platz erforderlich. In der Diskussion kamen aber auch Probleme zur Sprache: Woher die Zeit nehmen und woher das Personal? Hier seien auch bei vorhandenem guten Willen die Kapazitäten häufig begrenzt. Impfungen zu bestimmten Zeiten nicht während des ganzen Tages anzubieten, war eine der genannten Möglichkeiten. So kämen etwa Abendstunden oder Zeiten am Samstag infrage, was auch die Konkurrenz-Diskussion mit Ärzten den Wind aus den Segeln nehmen könne.
Das Impf-Angebot in der Apotheke richte sich dann ausdrücklich nicht an deren Patienten, sondern an Personen, die wenig Anlass oder Gelegenheit zum Arztbesuch haben, etwa jüngere Menschen und Berufstätige. So wurde auf eine Umfrage verwiesen, wonach 50 Prozent der Befragten keinen festen Hausarzt hatten. Aber auch bei Hausarztmangel könne das Angebot eine Lücke füllen. Kreative Lösungen seien gefragt, wenn man in der Apotheke Impfungen anbieten möchte, aber häufig ließen sich auch welche finden, so eine Teilnehmerin.
Der Tag der Offizin-Pharmazie findet stets im Anschluss an die Jahrestagung der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) statt und wird gemeinsam mit der jeweiligen Landesapothekerkammer durchgeführt.