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Stigmatisierung

Affenpocken brauchen einen neuen Namen

Experten kritisieren die Krankheitsbezeichnung »Affenpocken«. Krankheitsnamen sollen nichts und niemanden stigmatisieren. Die WHO sucht nach einem neuen Namen.
dpa
17.08.2022  15:00 Uhr

Als das neuartige Coronavirus von Wuhan in China aus Anfang 2020 in der Welt ausbreitete, wurden vielerorts Menschen ausgegrenzt, die für Chinesen gehalten wurden. Wegen der Schweinegrippe 2009 wurden in vielen Ländern Millionen Schweine geschlachtet, und wegen der Affenpocken sind jetzt in Brasilien die ersten Affen mit Steinen und Gift attackiert worden – alles irrationale Reaktionen in der irrigen Annahme, man könne sich dadurch vor einer neuen Gefahr schützen.

Die WHO macht seit Wochen Druck, dass der Name Affenpocken geändert wird. Aber sind so einprägsame Bezeichnungen nicht besser als Buchstaben- und Zahlenkombinationen wie H1N1 für Schweinegrippe oder SARS-CoV-2 für das Coronavirus? «Was einfach ist, ist ja nicht notwendigerweise geboten», sagt Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel der Deutschen Presse-Agentur. Er unterzeichnete im Juni einen Aufruf, neutrale Namen für Affenpocken-Untergruppen zu finden und nicht von Westafrika- oder Kongobecken-Gruppen zu reden. Damit werde der falsche Eindruck erweckt, die jüngsten Ausbrüche überwiegend in Europa, den USA und Brasilien hätten etwas mit Afrika zu tun, heißt es darin. Das sei diskriminierend und stigmatisierend.

Die mehr als zwei Dutzend Virologinnen und Virologen kritisierten, dass dazu auch noch oft Fotos afrikanischer Patienten gestellt werden würden. Jetzt fruchtete ihr Aufruf: Die Untergruppen werden nun mit römischen Zahlen I und II benannt, wie die WHO am Freitag berichtete.

Vorschläge für einen neuen Namen können auf einer WHO-Webseite gemacht werden. Jeder kann dort ernst gemeinte Ideen vorbringen. Am Freitagabend stand dort bislang ein diese Woche aus Kanada eingereichter Vorschlag, die Krankheit (auf Englisch Monkeypox) Mpox zu nennen.

Auch das Virus selbst soll einen neuen Namen bekommen. Dafür ist ein unabhängiger Expertenrat (ICTV) zuständig, der noch keine Entscheidung getroffen hat. In der Untergruppe II gibt es nach Angaben der Experten zwei weitere Untergruppen, die ab jetzt mit IIa und IIb klassifiziert werden.

Geografische Bezeichnung oft fehlerhaft und stigmatisierend

«Das Problem mit den geografischen Bezeichnungen ist zum einen, dass sie oft nicht stimmen, zum anderen, dass sie oft dazu führen, dass die Orte, nach denen die Erreger benannt werden, Nachteile erfahren», sagt Neher. Zum Beispiel, dass Reisen in die Regionen vermieden werden. Zudem würden Länder, die Krankheiten gut überwachen und etwa neue Virenvarianten entdecken und beschreiben, bestraft, wenn die neue Variante dann nach dem Land benannt werde.

Die legendäre Spanische Grippe 1918 etwa wurde zwar von Spanien als erstes gemeldet, die ersten Fälle traten aber schon früher in den USA auf, wie die US-Gesellschaft für Mikrobiologie (ASM) berichtet. Dass sich Begriffe wie Schweinegrippe oder Wuhan-Virus schnell durchsetzten, sei menschlich, schrieb Susan Hardy, Dozentin für Sozialwissenschaften auf der Webseite der Universität von Sydney. «Angst braucht einen Namen, und etwas zu benennen suggeriert, dass etwas getan wird.» Es gehe auch um die Suche nach Sündenböcken.

Bei der neuen Influenza-Virusvariante 2009 waren es die Schweine, obwohl das Virus auch Menschen infiziert und von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Beim Coronavirus sprach nicht nur der damalige US-Präsident Donald Trump vom «Wuhan-» oder «China-Virus», um Peking Schuld an der Ausbreitung zuzuschieben. Er verlangte explizit, China müsse zur Rechenschaft gezogen werden.

Natürlicher Wirt der Affenpocken sind Nagetiere

Für die Virus-Bezeichnung ist ein Gremium aus Hunderten Virologen (ICTV) zuständig. Sie haben auch das Coronavirus SARS-CoV-2 benannt. Krankheitsnamen beschließt die WHO. Sie nannte etwa die durch SARS-CoV-2 ausgelöste Krankheit Covid-19.

Seit 2015 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Richtlinien, um zu verhindern, dass Krankheitsnamen negative Folgen für Handel, Reisen, Tourismus oder Tierwohl haben oder kulturelle, soziale, regionale oder ethnische Gruppen womöglich an den Pranger stellen. Das Affenpockenvirus heißt so, weil es in den 1950er-Jahren in Dänemark erstmals in Affen nachgewiesen wurde. Es hätte auch dänisches Virus heißen können, wie das Marburg-Virus, das so heißt, weil es in den 1960er-Jahren der hessischen Stadt identifiziert wurde.

Bei den Affenpocken ist heute klar, dass sich zwar Affen (wie Menschen) infizieren können. Natürliche Wirte sind aber Nagetiere. Bei der jüngsten Ausbreitung wird das Virus durch engen Körperkontakt zwischen Menschen übertragen und hat mit Affen nichts zu tun. Womöglich kann es den ein oder anderen Affen schützen, wenn der Name geändert wird. Doch auch bei Gelbfieber-Ausbrüchen wurden in Brasilien Affen angegriffen.

Die Stigmatisierung und Diskriminierung der von einer Krankheit Betroffenen ist noch eine ganz andere Sache. Die in den 1980er-Jahren zuerst bei schwulen Männern in den USA festgestellte Immunschwäche wurde zunächst GRID genannt – für Gay-Related Immune Deficiency (übersetzt etwa: mit Schwulen in Verbindung stehende Immunschwäche). Obwohl seit langem bekannt ist, dass sich die Krankheit keineswegs auf schwule Männer beschränkt, hat die Änderung des Namens in AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome / erworbenes Immunschwächesyndrom) zunächst kaum etwas bewirkt. Noch über viele Jahre sind Menschen von Schwulen aus Angst vor einer Ansteckung abgerückt.

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