Ätherische Öle machen den Weg frei |
Das klassische Kamillen-Kopf-Dampfbad ist dank seiner ätherischen Öle Therapie zum Einatmen. / Foto: Adobe Stock/USeePhoto
Der Klassiker unter den Inhalationsmethoden ist das Kamillendampfbad nach der Kochtopfmethode. Sicherer in der Anwendung sind freilich wärmeisolierte und auslaufsichere Dampfinhalatoren. In jedem Fall befeuchtet der heiße Dampf die Schleimhäute in Nase und Rachen, löst Krusten in der Nase und unterstützt die Verflüssigung des zähen Sekrets. Um aber über die Stimmlippen hinaus in den Atemwegen eine Wirkung vermitteln zu können, sind Wassertröpfchen zu groß. Auf Bronchien und Lunge hat diese Form der Inhalation also nur eine geringe direkte Auswirkung.
Die Wasserdampfflüchtigkeit ätherischer Öle prädestiniert sie für den Zusatz in Dampfinhalatoren. Kamillen-, Eukalyptus-, Minz-, Fichtennadel- oder Latschenkiefernöl haben die Eigenschaft, sich an Wassermoleküle anzuheften und mit ihnen gemeinsam in die Dampfphase überzugehen. Die dabei entstehenden Tröpfchen haben eine Größe von etwa 15 Mikrometer, verbleiben somit in den oberen Atemwegen und machen die Dampfinhalation zum probaten Behandlungsmittel etwa einer Nasennebenhöhlen- oder Rachenentzündung. Ätherische Öle lassen sich jedoch auch inhalieren, indem sie als halbfeste Zubereitung – meist mit Vaseline - auf Brust und Rücken aufgetragen werden (wie Wick VapoRub® Erkältungssalbe, Transpulmin® Erkältungsbalsam, Retterspitz® Bronchialcreme).
In jüngster Zeit hat sich die Kenntnis darüber, wie ätherische Öle ihre Wirkung genau vermitteln, enorm erweitert. Im Zentrum stehen dabei die sogenannten TRP-Ionenkanäle in der Nasenschleimhaut, informierte Dr. Laura Sadofsky vom Zentrum für Biomedizin der Hull York Medical School bei einer Presseveranstaltung zu Wick VapoRub® von Procter & Gamble. »Diese Transient Receptor Potential Channels dienen als Sensoren für physische Reize wie Temperatur, Druck und Dehnung. Von ihnen gibt es eine ganze Reihe an Unterfamilien. Bei Aktivierung sind sie typabhängig für Kationen wie Calcium, Natrium oder Magnesium permeabel und hemmen die von Rhinoviren induzierte ATP-Freisetzung. Wir konnten zeigen, dass Menthol, Campher, Thymol oder Eukalyptusöl eine Vielzahl von TRP-Gängen modulieren, was für die Behandlung von Erkältungskrankheiten genutzt werden kann.«
Menthol wirkt beispielsweise als Agonist am TRPM8- (wichtig für die Thermozeption) und als Antagonist am TRPA1-Ionenkanal (wichtig für die Nozizeption), Rezeptoren auf Schleimhautepithelzellen, die verstärkt in infizierten Atemwegszellen nachgewiesen wurden und in Entzündungs-, Schmerz- und Hustenmechanismen involviert sind. Die Inhalation erzeugt ein Gefühl der Kühle in den oberen Atemwegen und lindert so das Verstopfungsgefühl. Tatsächlich nutzen Menthol und Kälte genau denselben Mechanismus, um die TRP-Kanäle zu aktivieren. Campher, ein Terpenketon aus dem Holz des Kampferlorbeers, moduliert dagegen TRPA1- und TRPV1-Kanäle (beide Nozizeption). 1,8-Cineol nutzt wie Menthol den TRPM8-Kanal und antagonisiert TRPA1. Das trägt zu seiner abschwellenden, bronchienerweiternden und schleimlösenden Wirkkomponente bei – was auch in oralen Darreichungsformen wie Weichgelatinekapseln (wie Soledum® Kapseln, Sinolpan® Kapseln, Gelomyrtol®) genutzt wird.
Darüber hinaus besitzen die meisten ätherischen Öle eine gute Gewebegängigkeit. Sie enthalten meist Monoterpene, also niedermolekulare, meist monozyklische, lipophile Verbindungen, die deshalb sehr leicht durch die Zellmembranen dringen und schnell im Blut erscheinen. Cineol und Campher beispielsweise sind schon zehn Minuten nach Inhalation im Blut nachzuweisen. Nach rund 20 Minuten sind sie maximal angeflutet.
»Die Fix-Kombination der ätherischen Öle Levomenthol, Eukalyptusöl, Campher und Terpentinöl aus dem Harzöl der Kiefernart Pinus massoniana des Wick-Präpartes ist in der Lage, die unterschiedlichen Symptome eines Infekts der oberen Atemwege zu lindern – und das ziemlich schnell«, stellte Professor Dr. Andrew Smith, Direktor des Zentrums für Arbeits- und Gesundheitspsychologie an der Universität Cardiff, neue Studienergebnisse vor. »Beim Einatmen stimulieren die ätherischen Öle Kälterezeptoren und reduzieren dadurch innerhalb kürzester Zeit von 62 Sekunden das Verstopfte-Nase-Gefühl um bis 72 Prozent. In der Folge verbessern sich Heiserkeit und Halsschmerzen, und die Hustenfrequenz nimmt ab. Letzteres wird vornehmlich dem 1,8-Cineol, dem Hauptwirkstoff des Eukalyptusöls, zugeschrieben. Die Wirkung setzt bereits nach 15 Minuten ein und ist bis zu acht Stunden nachweisbar.«
Erkältete geben immer wieder an, dass sich ihre Symptome während der Nacht verschlechtern. »Das liegt daran, dass unsere Immunantwort mit dem circadianen Rhythmus zusammenhängt«, sagte Smith. »Unsere innere Uhr bestimmt nicht nur den Schlaf-Wach-Rhythmus, sondern ist auch für die optimale Funktion unseres Immunsystems entscheidend. So sind bestimmte Immunzellen wie Monozyten oder T-Zellen und entzündungsfördernde Substanzen nachts aktiver. Und das spiegelt sich in der Intensität der Symptome.« Deshalb sei die Anwendung von Erkältungsbalsamen direkt vor dem Schlafengehen zu empfehlen. Beim Einreiben wird ein leichter Wärmeeffekt erzeugt.
Ein Erkältungsbalsam kann auch zur Dampfinhalation verwendet werden. Dafür wird ein 4 bis 5 cm langer Salbenstrang in heißes Wasser gegeben. Aber auch dabei gilt: Öle mit einem Anteil von Menthol oder Campher sind für Kleinkinder unter zwei Jahren wegen der Gefahr eines Glottiskrampfs oder eines reflektorischen Bronchospasmus nicht geeignet. Auch Eukalyptus-, Rosmarin- und Salbeiöl sollten wegen ihres Ketongehaltes (vor allem Thujon) bei Kleinkindern nur zurückhaltend dosiert werden.