Ärztliche Zwangsmaßnahmen nur in der Klinik? |
Aktuell dürfen ärztliche Zwangsmaßnahmen nur in Krankenhäusern durchgeführt werden. Jetzt prüft das Bundesverfassungsgericht diese Praxis. / Foto: IMAGO/U. J. Alexander
Spritzen setzen, Blut abnehmen, Medikamente verabreichen – und all das gegen den Willen der Betroffenen. Das ist manchmal nötig – und als Ultima Ratio auch rechtlich erlaubt. Dabei geht es um Menschen, die etwa aufgrund einer psychischen Krankheit, einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit einer Behandlung nicht erkennen und danach handeln können. Das können zum Beispiel Demente sein.
Nach geltender Rechtslage dürfen ärztliche Zwangsmaßnahmen nur in Krankenhäusern durchgeführt werden, nicht aber in spezialisierten ambulanten Zentren, in Pflegeheimen oder im häuslichen Umfeld. Das gilt auch, wenn Betroffene durch den Transport ins Krankenhaus gesundheitlich beeinträchtigt werden. Ob das mit dem Grundgesetz vereinbar ist, prüft nun das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Im konkreten Fall erlitt eine Frau aus Nordrhein-Westfalen, die laut Bundesgerichtshof (BGH) unter anderem an paranoider Schizophrenie erkrankt ist, Retraumatisierungen. Sie habe für manche Transporte in die Klinik fixiert werden müssen. Ihr Betreuer beantragte, der Patientin ein Medikament auf der Station des Wohnverbundes zu verabreichen, in dem sie lebte.
Gerichte lehnten das ab, so dass der Fall beim BGH landete. Dieser hält die Rechtslage für unvereinbar mit der Schutzpflicht des Staates vor Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit – und schaltete das Verfassungsgericht ein.
Gerichtspräsident Stephan Harbarth sagte zu Beginn der Verhandlung, das Thema betreffe einen der »grundrechtssensibelsten Bereiche des Erwachsenenschutzes«. Einerseits müsse ein angemessener Schutz der Betreuten sichergestellt sein, andererseits dürfe aber nicht unverhältnismäßig in ihre Freiheitsrechte eingegriffen werden. «In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch die gesetzgeberische Entscheidung, an welchem Ort – oder an welchen Orten – ärztliche Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden können.« Ein Urteil des Ersten Senats wird erst in einigen Monaten erwartet.