Änderungsmitteilung schützt vor Retax |
Jennifer Evans |
28.09.2020 10:00 Uhr |
Viele Apotheker nervt die Bürokratie rund um die Präqualifizierung von Hilfsmitteln. Einige Regelungen wurden verschärft. Das macht die Situation nicht leichter. / Foto: AdobeStock/denisismagi
Präqualifizierung ist für viele Apotheker ein leidiges Thema, das sie gerne einmal wegschieben. Kein Wunder: Das Prozedere ist mit einer Menge Bürokratie verbunden. Doch befassen müssen sie sich dennoch damit. Grundsätzlich dient das Präqualifizierungsverfahren dazu, gegenüber dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nachzuweisen, dass ein Leistungserbringer alle Kriterien erfüllt, um Hilfsmittel herzustellen, anzupassen und abzugeben. In Apotheken machen die Hilfsmittel nur einen kleinen Teil des Umsatzes aus. Meist geht es um ein Zertifikat für die apothekentypischen Hilfsmittel. Dazu zählen zum Beispiel Milchpumpen, Bandagen, Insulin-Pens, Inkontinenzhilfen und Kompressionsstrümpfe. Laut ABDA besitzen 18.000 Apotheken in Deutschland mindestens eine produktgruppenspezifische Präqualifizierung. Der jährliche Gesamtumsatz aller Hilfsmittel in öffentlichen Apotheken beläuft sich der aktuellsten Aufstellung der Bundesvereinigung zufolge derzeit auf 677 Millionen Euro.
Eine der knapp 20 Zertifizierungsstellen in Deutschland leitet Diethard Grundl. Seine Agentur für Präqualifizierung (AfP) prüft und überwacht also, ob die Leistungserbringer die gesetzlichen Anforderungen erfüllen. Wenn alles rund läuft, bekommt der Antragsteller eine schriftliche Bestätigung, also ein Zertifikat, und die Präqualifizierungsstelle übermittelt das Ergebnis an den GKV-Spitzenverband. Dieser bündelt die Informationen gemäß § 126 Sozialgesetzbuch V, Absatz 1a, Satz 8 elektronisch und stellt sie den Kassen zur Verfügung.
Seit dem 20. April 2017 hat sich aber einiges geändert, weil das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) in Kraft getreten ist. Damit ist es nicht mehr Aufgabe des GKV-Spitzenverbands, das Prüfverfahren zu gestalten, sondern PQ-Stellen müssen sich dafür bei der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) zertifizieren lassen. Ob diese Stellen die Präqualifizierung dann »verlässlich, vergleichbar und reproduzierbar« durchführen, kontrolliert die DAkkS natürlich in regelmäßigen Abständen. Grundls Agentur hat dieses Zertifikat im Februar 2019 erworben und deckt nach eigenen Angaben nun fast alle Versorgungsbereiche ab.
»Einige Apotheker sind sich vielleicht nicht bewusst, dass laut Gesetz seit 2017 nun unter anderem die DIN-Norm 17065 greift und sich einige Anforderungen des Verfahrens geändert haben«, sagt er im Gespräch mit der PZ. Neu ist etwa, dass es seit Mai 2019 in dem üblichen fünfjährigen Gültigkeitszeitraum einer Präqualifizierung nun zwei Überwachungen geben muss, die in regelmäßigen Abständen stattfinden. Bei einer Laufzeit von 60 Monaten, komme auf die Apotheker nach rund 20 Monaten eine Überwachung zu und eine zweite dann nach etwa 40 Monaten.
Im Vorfeld legt die PQ-Stelle fest, was dabei genau kontrolliert wird. »Das richtet sich nach der Risikoklasse des Versorgungsbereichs«, erläutert Grundl. Damit auch alles fair abläuft, segnet die DAkkS die Überwachungskonzepte der einzelnen PQ-Stellen ab. »Die Überprüfung läuft bei Apotheken in der Regel in schriftlicher Form ab. Das heißt, der Apotheker muss nichts unternehmen, sondern wird von der PQ-Stelle aufgefordert, innerhalb einer bestimmen Frist, seine Nachweise einzureichen«, so Grundl. Das könne etwa ein Foto von einem Beratungsraum mit Liege sein. »Auch die Form der Nachweise ist durch die GKV-Empfehlungen, den GKV-Kriterienkatalog sowie weiteren Dokumenten, wie zum Beispiel FAQ des GKV-Spitzenverbands gesetzlich geregelt«, hebt er hervor. Eine Begehung vor Ort kommt im Normalfall nicht vor, weil es in Apotheken keine sogenannten begehungspflichtigen Versorgungsbereiche gibt.
In seltenen Fällen kann es aber zusätzlich zu einer anlassbezogenen Überwachung kommen. Nämlich dann, wenn Unstimmigkeiten auftauchen, so Grundl. »Das kann passieren, wenn beispielsweise die Krankenkasse anruft und darauf hinweist, dass sich in einer Apotheke der fachliche Leiter geändert hat, uns aber keine Meldung darüber vorliegt.« Einer solchen Angelegenheit müsse die PQ-Stelle dann natürlich nachgehen – im Zweifelsfall sogar in Form einer angekündigten Begehung vor Ort, für die der Apotheker dann rund 400 Euro zahlen muss. »Grundsätzlich ist ein Leistungserbringer dazu verpflichtet, jede in den GKV-Empfehlungen festgelegte maßgebliche Änderung wie eine Änderung des fachlichen Leiters, seiner rechtlichen Verhältnisse, einen Umzug der Betriebstätte oder eine Insolvenz unverzüglich zu melden, weil dann sein Zertifikat angepasst werden muss. Andernfalls hat die PQ-Stelle rein formal das Recht, ihm die Zertifizierung einzuschränken, auszusetzen oder zu entziehen«, betont er.
Letzteres gilt auch für den Fall, dass eine Apotheke einer anlassbezogenen Begehung nicht zustimmt. Daher rät Grundl, der PQ-Stelle jede Änderung mithilfe des entsprechenden Antragsformulars am besten sofort mitzuteilen. »Denn erst, wenn alle Daten auf dem neuesten Stand sind, kann die Agentur einer Apotheke auch die nötige sogenannte Konformitätsbescheinigung nach einem Überwachungsaudit ausstellen.« Was viele vielleicht nicht im Blick haben: Fällt einer Kasse auf, dass ein Zertifikat nicht mehr gültig ist, sprich der Leistungserbringer zwischenzeitlich keine gültige Präqualifizierung hatte, darf sie retaxieren. »Rechtlich sind die Verträge mit den Kassen dann ungültig«, hebt Grundl hervor.
Außerdem neu seit 2017 ist: Die Nachweise zu den Anforderungen müssen den jeweils aktuellen Kriterien des GKV-Spitzenverbands entsprechen. Einmal qualifiziert, bedeutet also nicht mehr automatisch für immer qualifiziert. »Zum Teil sind Nachbesserungen oder Neuanschaffungen nötig. Zum Beispiel geht inzwischen ein Bett nicht mehr als eine Liege durch, weil es nicht die ergonomisch angemessene Arbeitshöhe aufweist, nicht abwaschbar oder desinfizierbar ist. Das muss man einfach wissen.«
Etwas frustriert ist Grundl über den Unmut vieler Apotheker, sich mit den neuen Anforderungen auseinanderzusetzen. »Mehr als 90 Prozent der Anträge, die wir bekommen, sind nicht korrekt ausgefüllt oder werden unvollständig eingereicht«, berichtet er. Das bedeute für die Agentur erheblichen Mehraufwand. »Statistisch nehmen wir jeden Antrag zwei bis drei Mal in die Hand.« Die Mehrfachprüfungen kosteten Zeit und würden Ressourcen binden. »Dabei hat der Leistungserbringer laut Gesetz eine Mitwirkungspflicht«, betont er. Insbesondere in der Übergangszeit bis April 2021 ist die Mehrarbeit eine Belastung für die Agentur, gibt Grundl zu. Bis dahin müssen sich nämlich alle Leistungserbringer, deren PQ-Stelle nicht mehr auf dem Markt ist, eine neue suchen, die von der DAkkS akkreditiert ist. Und auch alle Bestandskunden müssen auf das neue Zertifikat mit DAkkS-Logo umgestellt werden. Das fordert die Akkreditierungsstelle so. »Über einen Algorithmus stellt unser IT-System sicher, dass keiner durchs Raster fällt«, erklärt der Agentur-Chef den Prozess.
Die AfP muss – wie alle PQ-Stellen – nachweisen, dass sie »neutral, unabhängig und diskriminierungsfrei arbeitet«, erklärt Grundl. Diese Anforderungen werden durch die DAkkS überprüft. Zusätzlich bestätige ein Zertifizierungsgremium regelmäßig, dass die Stellen unabhängig von den Interessen der Leistungserbringer oder deren Interessenverbänden agieren.
Aufgrund der Vielzahl neuer Aufgaben, der Flut an Rückfragen sowie dem Aufwand, der durch die Nachbearbeitung von Anträgen anfällt, hat Grundl bereits Personal aufgestockt und plant, bald auch seine Preise anzupassen. »Nur so können wir die Anforderungen der Leistungserbringer erfüllen. Das betrifft auch die telefonische Erreichbarkeit unserer Agentur.« Zudem müsse er gegenüber der DAkkS nachweisen, dass seine PQ-Stelle »wirtschaftlich tragfähig arbeite«.
Für viele Apotheker steht der bürokratische Aufwand rund um die Hilfsmittelversorgung in keinem Verhältnis zum Nutzen. Das wurde bei der diesjährigen Mitgliederversammlung des Apothekerverbands Brandenburg (AVB) am vergangenen Wochenende in Potsdam deutlich. »Wir sind nicht die Samariter der Nation. Es ist ein Zuschussgeschäft«, stellte der AVB-Vorsitzende Olaf Behrendt klar. In seinem Jahresbericht bemängelte er außerdem die Zusammenarbeit mit der AfP.