Adjuvantierter Grippeimpfstoff nicht schlechter als hoch dosierter |
Theo Dingermann |
31.05.2022 12:30 Uhr |
Derzeit empfiehlt die STIKO allen Personen ab 60, sich jährlich mit einem hoch dosierten Grippeimpfstoff immunisieren zu lassen. / Foto: Getty Images/Radovanovic96
Die saisonale Influenza ist durch die Covid-19-Pandemie in die zweite Reihe gerutscht. Umso wichtiger ist es, daran zu erinnern, dass es sich bei der Influenza um eine sehr ansteckende Infektionskrankheit handelt, die schwere Erkrankungen und lebensbedrohliche Komplikationen verursachen kann. Dringend sollten sich vor allem ältere Menschen vor der Infektion durch eine Impfung schützen.
Speziell zugelassen für ältere Menschen sind in Deutschland der adjuvantierte Impfstoff Fluad® Tetra von Seqirus und der viermal höher dosierte, nicht adjuvantierte Impfstoff Efluelda® von Sanofi. Aufgrund einer »geringfügigen, aber signifikanten Überlegenheit der Impfeffektivität bei älteren Menschen« empfiehlt die STIKO für alle Personen ≥ 60 Jahre einen quadrivalenten Hochdosis-Impfstoff mit aktueller von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlener Antigenkombination – de facto Efluelda. Ob tatsächlich dieser Hochdosis-Impfstoff einem adjuvantierten normal dosierten Grippeimpfstoff überlegen ist, stellt nun eine von Seqirus mitfinanzierte Publikation in Frage, die kürzlich im Fachjournal »Vaccine« erschienen ist.
Professorin Dr. Barbara Gärtner von der Universität Saarbrücken und Kollegen werteten dazu in einem systematischen Literaturreview die Daten zur Effektivität von Influenzaimpfstoffen, die wie Fluad Tetra mit MF59 adjuvantiert sind, im Vergleich zu nicht adjuvantierten Standard- und Hochdosis-Influenzaimpfstoffen bei Erwachsenen im Alter von ≥ 65 Jahren aus.
Aus elf Publikationen mit Daten zu neun Real-World-Evidenz-Studien leiten die Autoren ab, dass sowohl adjuvantierte als auch hoch dosierte Impfstoffe wirksame Alternativen für Impfprogramme bei älteren Erwachsenen seien und den herkömmlichen Standardimpfstoffen gleichermaßen vorzuziehen seien. Zudem deuteten die Ergebnisse sehr klar an, dass adjuvantierte und hoch dosierte Impfstoffe in Bezug auf die Verringerung grippebedingter Arztbesuche, stationärer Aufenthalte und Krankenhausaufenthalte vergleichbar seien.
Die Daten stammten aus den Grippesaisons 2006/2007 bis 2008/2009 und 2011/2012 bis 2019/2020. Als primärer Endpunkt war die relative Impfstoffeffektivität (rVE) definiert worden. Verglichen wurde die rVE von adjuvantierten trivalenten beziehungsweise quadrivalenten Influenzaimpfstoffen (aTIV/aQIV) im Vergleich zu nicht adjuvantierten Influenzaimpfstoffen in Standarddosis (TIV/QIV) und Hochdosis (TIV-HD/QIV-HD).
Neun Analysen ergaben, dass ein adjuvantierter trivalenter Impfstoff (aTIV) signifikant wirksamer war als nicht adjuvantierte trivalente oder quadrivalente Influenzaimpfstoffe (TIV und QIV): Die rVE eines aTIV betrug verglichen mit einem TIV 7,5 bis 25,6 Prozent und verglichen mit einem QIV 7,1 bis 36,3 Prozent. Aus sieben Analysen ließen sich ähnliche Wirksamkeiten von aTIV im Vergleich zu TIV-HD bei der Verringerung von influenzabedingten Arztbesuchen, stationären Aufenthalten und Krankenhausaufenthalten/Notaufnahmen ableiten.
In drei Analysen war der aTIV signifikant wirksamer als TIV-HD in Bezug auf die Verringerung grippebedingter Arztbesuche (rVE zwischen 6,6 und 16,6 Prozent). Allerdings geben die Autoren zu bedenken, dass ein mäßiges bis hohes Risiko für eine Verzerrung (Bias) besteht.
»Unser Review deutet darauf hin, dass auf der Grundlage von Real-World-Evidenz zur Effektivität und Sicherheit sowohl adjuvantierte als auch hoch dosierte Impfstoffe für saisonale Grippeimpfprogramme bei älteren Erwachsenen empfohlen werden sollten. Auf diese Weise können die Gesundheitsversorgung und folglich auch die klinischen Resultate verbessert werden«, sagt Dr. Dietmar Beier, Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin und und Autor der Publikation, in einer Pressemitteilung der Firma Seqirus. Es bleibt abzuwarten, ob die STIKO ihre Empfehlung anpassen wird.