Adipositas-Chirurgie als sensibles pharmazeutisches Feld |
Nach bariatrischen Operationen ist eine sorgfältige Auswahl und Anpassung der Medikamente wichtig. Aber auch im Vorfeld gilt es schon, potenziell zu pausierende Medikamente oder Interaktionen zu identifizieren. / © Adobe Stock/zinkevych
Stationsapotheker leisten einen wichtigen Beitrag zur sicheren und individualisierten Arzneimitteltherapie stationärer Patienten und tragen so zur zunehmenden Professionalisierung der pharmazeutischen Versorgung im Krankenhaus bei. Die chirurgische Therapie der Adipositas bringt zahlreiche medikamentöse Herausforderungen mit sich – von veränderten pharmakokinetischen Parametern bis hin zu komplexer Komorbidität – wodurch sich die aktive Einbindung eines Apothekers als besonders wertvoll erweist.
Eine bariatrische Operation wie ein Roux-en-Y-Magenbypass oder eine Schlauchmagen-Resektion verändert anatomisch und funktional die Physiologie des Gastrointestinaltrakts. Aus der Vielzahl der veränderten stoffwechselrelevanten Bedingungen resultiert wiederum ein veränderter Arzneistoffmetabolismus, dessen klinische Relevanz je nach physikochemischen Eigenschaften des Arzneimittels unterschiedlich ausfallen kann. Für bestehende Vorerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen oder psychische Erkrankungen, die sich im rasanten Verlauf der postoperativen Gewichtsabnahme in ihrer Ausprägung stark verändern können, ist ein individualisiertes Medikationsmanagement unerlässlich.
Die Tätigkeit als Stationsapotheker für Adipositas-chirurgische Patienten beginnt meist bereits während des prästationären Anamnesegesprächs. Die initiale Analyse der Vormedikation dient dazu, prä- beziehungsweise perioperativ zu pausierende Medikationen oder auch relevante Interaktionen zu identifizieren. Im weiteren Verlauf wird die bestehende Therapie auf potenzielle postoperative arzneimittelbezogene Probleme überprüft. Besonders kritisch sind hierbei Arzneimittel mit einer engen therapeutischen Breite oder veränderter Galenik wie Retardierung, veränderte Wirkstofffreisetzung oder Magensaftresistenz.
Mit der pharmazeutischen Expertise können nun aktiv Umstellungsempfehlungen für das Ärzteteam formuliert werden. Nach intensiver Recherche bisheriger Erfahrungen mit den betroffenen Arzneistoffen nach bariatrischen Eingriffen ergeben sich Möglichkeiten wie eine Umstellung auf schnell freisetzende Arzneiformen, Empfehlungen zur Dosisanpassung oder auch die Auswahl alternativer Wirkstoffe. Darüber hinaus werden von Ärzten und Patienten Beratungen zur Supplementation von Vitaminen oder Spurenelementen sowie zum Umgang mit potenziell unverträglichen OTC-Arzneimitteln sehr geschätzt.
Ein Fallbeispiel aus der Praxis: Ein 45-jähriger Patient mit insulinpflichtigem Diabetes, Hypothyreose und einer Depression wurde zur Magenbypass-Operation aufgenommen. Aus der initialen Medikationsanalyse ergaben sich mehrere potenzielle postoperative arzneimittelbezogene Probleme. Nach pharmazeutischer Umstellungsempfehlung erfolgten postoperativ eine Dosisreduktion der Insulintherapie, ein strenges Monitoring der Schilddrüsenwerte sowie eine Umstellung des Antidepressivums auf eine flüssige Darreichungsform mit im weiteren Verlauf individualisierter Dosierung. Für die Nachsorge erhielt der Patient eine Beratung mit Informationsmaterial für die Nährstoffsupplementation und zur Selbstmedikation bei Bagatellerkrankungen.