Pharmazeutische Zeitung online Avoxa
whatsApp instagram facebook bluesky linkedin xign
Antidepressiva

Absetzen kann problematisch sein

Forschende aus Deutschland haben die bislang umfassendste Untersuchung zum Absetzen von Antidepressiva vorgelegt. Das Ergebnis: Fast jeder dritte Patient entwickelt in dieser Situation Absetzsymptome – doch die Hälfte davon beruht auf einem Noceboeffekt.
AutorKontaktAnnette Rößler
Datum 06.06.2024  07:00 Uhr

Antidepressiva greifen in zentrale Neurotransmittersysteme ein und verändern diese. Da ist es nicht verwunderlich, dass nach dem Absetzen Symptome auftreten können, die auf diesen Veränderungen beruhen. In der Vergangenheit standen Absetzphänomene bei Antidepressiva aber eher wenig im Fokus der Wissenschaft; teilweise wurde ihre Existenz sogar negiert.

Auch heute noch gebe es in medizinischen Fachkreisen »polarisierte Positionen zur Inzidenz und Schwere von Absetzsymptomen bei Antidepressiva sowie eine andauernde Debatte in den Medien«, schreibt eine Gruppe um Dr. Jonathan Henssler von der Berliner Charité und Professor Dr. Christopher Baethge von der Universität Köln im Fachjournal »The Lancet Psychiatry«. Dass es diese Symptome gibt, sei aber mittlerweile unumstritten. Die Autoren verweisen auf neue Kapitel in internationalen und nationalen Leitlinien, in denen empfohlen wird, Patienten bereits vor dem Start der Einnahme auf mögliche Risiken eines abrupten Absetzens hinzuweisen und die Wirkstoffe auszuschleichen.

Absetzsymptome von Antidepressiva könnten sehr variabel und unspezifisch sein; am häufigsten genannt würden Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schlafstörungen und Reizbarkeit. Die Symptome träten typischerweise innerhalb weniger Tage nach dem Absetzen auf und seien vorübergehend, könnten jedoch einige Wochen oder sogar Monate andauern. Unklar sei bislang gewesen, wie häufig Absetzsymptome vorkommen und wie schwerwiegend sie sind. Diese Fragen adressierte die Gruppe daher in einer systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse.

Sehr starker Noceboeffekt

Diese umfasste 44 randomisierte kontrollierte Studien (RCT) und 35 Beobachtungsstudien mit insgesamt 21.002 Patienten, von denen 16.532 ein Antidepressivum abgesetzt hatten und 4470 ein Placebo. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden lag bei 45 Jahren, der Frauenanteil bei 72 Prozent. Nach dem Absetzen der Medikation war bei 31 Prozent der Patienten in den Verumgruppen mindestens ein Absetzsymptom aufgetreten, aber auch bei 17 Prozent in den Placebogruppen, sodass die Autoren von einem starken Noceboeffekt ausgehen. »Netto« seien demnach nur bei rund 15 Prozent der Patienten Absetzsymptome zu erwarten, die direkt auf dem Antidepressivum beruhten.

Die berichteten Symptome umfassten vor allem Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schlafstörungen und Reizbarkeit. Eine schwerwiegende Symptomatik lag bei etwa 3 Prozent der Patienten vor. Das Risiko für schwerwiegende Absetzsymptome war nach der Einnahme von Imipramin, Paroxetin und (Des)Venlafaxin höher als bei anderen Substanzen. Wirkstoffspezifische Aussagen zu treffen, ist anhand dieser Arbeit jedoch nur bedingt möglich, denn viele Antidepressiva wurden nur in einer einzigen Studie untersucht und einige häufig angewendete Wirkstoffe wie Mirtazapin, Bupropion oder Amitriptylin waren mangels geeigneter Studien gar nicht vertreten.

Als weitere Einschränkungen nennen die Autoren die verschiedenen Methodiken der einzelnen Studien, die teilweise nur bedingt miteinander vergleichbar gewesen seien. Auch bestehe bei allen Studien, die den Verlauf nach dem Absetzen eines Antidepressivums untersuchten, eine Schwierigkeit darin, mögliche Absetzsymptome von Symptomen eines Wiederauftretens der Depression abzugrenzen.

Patienten müssen begleitet werden – auch nach dem Absetzen

Ob das Antidepressivum abrupt abgesetzt oder ausgeschlichen worden war, hatte in der Untersuchung keinen Einfluss auf das Risiko für eine Absetzsymptomatik. Auch dieses – unerwartete – Teilergebnis führen die Autoren allerdings auf methodische Unterschiede zwischen den einzelnen Studien zurück, etwa verschieden lange Zeiträume, über die ausgeschlichen wurde, und auch verschiedene Wirkstoffe. Generell gilt, dass es nach der Einnahme von Antidepressiva mit langer Halbwertszeit eher selten zu Absetzsymptomen kommt, doch in der Nationalen Versorgungsleitlinie »Unipolare Depression« wird nach einer Erhaltungstherapie oder Rezidivprophylaxe prinzipiell ein Ausschleichen über mindestens acht bis zwölf Wochen empfohlen.

»Es ist von entscheidender Wichtigkeit, dass alle Patienten nach dem Einnahmestopp eines Antidepressivums professionell beraten, überwacht und unterstützt werden«, betont Henssler in einer begleitenden Pressemitteilung. Diese Metaanalyse sollte aber eine Beruhigung darstellen, da laut ihr Absetzsymptome nicht so häufig auftreten, wie es einzelne frühere Studien und auch Reviews nahegelegt hätten.

Frag die KI
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
BETA
Menü
Zeit
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
Zeit
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
Senden
SENDEN
KI
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
KI
KI
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa