Abnehmen über den Glucagon-Rezeptor |
Sven Siebenand |
02.07.2025 12:00 Uhr |
Inkretinmimetika haben einen hohen Bekanntheitsgrad als sogenannte Abnehmspritzen erlangt. Mazdutid ist kein reines Inkretinmimetikum, da es neben dem GLP-1-Rezeptor auch den Glucagon-Rezeptor als Target hat. / © Adobe Stock/Andrey Popov
Während Semaglutid am GLP-1-Rezeptor als Agonist wirkt, agiert Tirzepatid an zwei Rezeptoren für Inkretinhormone agonistisch, GLP-1 und GIP. Mazdutid wirkt auch als dualer Agonist, unterscheidet sich aber von Tirzepatid. Denn es wirkt agonistisch am GLP-1-Rezeptor und zusätzlich am Glucagon-Rezeptor.
Was ist die Rationale hinter Letzterem? Glucagon fördert die hepatische Glucoseproduktion und stimuliert die Lipolyse und Fettsäureoxidation. Ein Glucagon-Antagonismus senkt zwar wirksam den Glucosespiegel bei Diabetes, geht aber mit Dyslipidämie, Gewichtszunahme und einem erhöhten Fettgehalt der Leber einher. Diese Befunde haben zu der Spekulation geführt, dass ein Glucagon-Agonismus die Gewichtsabnahme und hepatische Lipolyse fördern könnte, vorausgesetzt, die hyperglykämische Wirkung von Glucagon wird wirksam bekämpft. Mit Mazdutid will man einen Rezeptoragonisten geschaffen haben, der genau das realisiert.
Ein Team um Dr. Linong Ji vom Peking University People’s Hospital hat nun vor Kurzem die Ergebnisse einer Phase-III-Studie mit Mazdutid publiziert. Untersucht wurde die Wirksamkeit einer einmal wöchentlichen subkutanen Applikation des Arzneistoffs über 48 Wochen bei 610 erwachsenen Teilnehmenden mit einem BMI ≥ 28 kg/m² oder ≥ 24 kg/m² mit Begleiterkrankungen; Menschen mit Diabetes Typ 2 wurden allerdings an dieser Stelle ausgeschlossen. Die Probanden erhielten entweder 4 mg oder 6 mg Mazdutid oder Placebo.
Bereits nach 32 Wochen zeigte sich eine signifikante Gewichtsreduktion: In der 4-mg-Gruppe betrug der mittlere Gewichtsverlust 10 Prozent vom Ausgangswert, in der 6-mg-Gruppe 13 Prozent, wohingegen unter Placebo das Gewicht um 0,5 Prozent zunahm. Bis Woche 48 stiegen die Reduktionsraten in den Verumgruppen auf 11 beziehungsweise 14 Prozent (Placebo: + 0,3 Prozent). Der Anteil an Patienten mit einer Gewichtsabnahme von ≥ 15 Prozent betrug nach 48 Wochen in der 4-mg-Gruppe 36 Prozent, in der 6-mg-Gruppe 50 Prozent und unter Placebo 2 Prozent.
Zudem zeigten sich Verbesserungen kardiometabolischer Parameter. In der Originalpublikation spekulieren die Autoren, dass möglicherweise stärker ausgeprägte Verbesserungen im Fettstoffwechsel, etwa die Verringerung der Triglycerid-Werte und des Leberfettgehalts, auf die Glucagon-gesteuerte Lipidoxidation in der Leber und im Fettgewebe zurückzuführen sein könnten. Das müssen aber direkte Vergleiche mit Inkretinmimetika zeigen. Eine Studie, die Mazdutid mit Semaglutid bei Typ-2-Diabetes und Adipositas vergleicht, läuft bereits.
Die Nebenwirkungsrate von Mazdutid war vergleichbar mit Inkretinmimetika. Häufigste Ereignisse waren gastrointestinale Beschwerden leichten bis mäßigen Schweregrades.
Neben dem Ausschluss von Menschen mit Diabetes weist die aktuell publizierte Studie weitere Limitationen auf. So sind die Daten auf eine chinesische Kohorte beschränkt und der zwölfwöchige Nachbeobachtungszeitraum nach der Behandlung war relativ kurz, sodass man die Wiederzunahme des Gewichts nach Absetzen von Mazdutid nicht eindeutig bewerten kann.
Abschließend noch ein Hinweis auf einen Tripel-Agonisten, der die Eigenschaften der beiden dualen Agonisten Tirzepatid und Mazdutid vereint: Retatrutid. Dieser Wirkstoff wirkt als Agonist am GLP-1-, am GIP- und am Glucagon-Rezeptor. Auch Retatrutid hat bereits vielversprechende Studienergebnisse vorzuweisen.
Was die Zulassung angeht, hat Mazdutid die Nase vorn: Hersteller Innovent Biologics mit Sitz in Suzhou erhielt am 27. Juni die Zulassung in China in der Indikation chronisches Gewichtsmanagement.