Ab wann spüren Neugeborene Schmerz? |
Jennifer Evans |
05.09.2025 09:00 Uhr |
Die Geschichte dieser Forschung liest sich seinen Angaben zufolge wie eine Abfolge von Kehrtwenden. Im 18. und 19. Jahrhundert hielten viele Ärzte Säuglinge für besonders schmerzempfindlich. Auch die Geburt galt als schmerzhaftes Ereignis für das Kind.
Doch mit Fortschritten in der Embryologie in den 1870er-Jahren kippte diese Denkweise. Das unreife Nervensystem ließ die Wissenschaft an einer echten Schmerzerfahrung von Babys zweifeln. Die Folgen waren drastisch. Fast ein Jahrhundert lang operierten Mediziner Säuglinge teilweise ohne Betäubung. Erst ab den 1980er-Jahren setzte sich langsam durch, dass diese Praxis eine Fehleinschätzung war.
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts hatte die öffentliche Empörung erneut zu einer Wendung geführt, wie Casser berichtet. Anerkannt sei seitdem, dass Schmerz bei Neugeborenen existiere – wenn auch in anderer Form als bei Erwachsenen.
Das Kernproblem bleibt jedoch bestehen: Schmerz ist eine innere Erfahrung, die sich nicht direkt beobachten lässt. Ein Zurückweichen oder messbare neuronale Aktivität der Säuglinge können zwar Hinweise darauf sein, beweisen aber nichts. Ob Reflex oder Empfindung – die Interpretation bleibt also unsicher. Wie Casser zu bedenken gibt, bleiben die derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse weiterhin Vermutungen – aber solche, die zunehmend fundierter zu werden scheinen.