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Entwicklung & Gehirn

Ab wann spüren Neugeborene Schmerz?

Bewusste Erfahrung oder Reflex? Die Debatte um das Schmerzempfinden von Säuglingen hält sich seit Jahrhunderten. Was daran so brisant ist und warum die Wissenschaft im Nebel stochert, schildert ein Wissenschaftsphilosoph. Eine Studie könnte nun etwas Licht ins Dunkel bringen.
AutorKontaktJennifer Evans
Datum 05.09.2025  09:00 Uhr

Es handelt sich um eine der großen Streitfragen in der Medizin: Wann empfinden Babys erstmals Schmerz? Die einen sehen schon bei zwölf Wochen alten Föten erste Reaktionen; die anderen verneinen Schmerzempfindung selbst im Säuglingsalter. Immer wieder änderte sich die wissenschaftliche Debatte über dieses Thema und damit auch die Behandlungspraxis für Babys.

Die anhaltenden Meinungsverschiedenheiten resultieren vor allem daraus, dass es keinen direkten Zugang zu den Erfahrungen der Neugeborenen gibt. Das hebt der Philosoph Dr. Laurenz Casser von der Universität Sheffield auf der Wissenschaftsplattform »The Conversation« hervor. Sein Forschungsgebiet ist Geschichte und Philosophie von Wissenschaft, Medizin und Geist. Noch dazu: Schmerz ist multidimensional und umfasst sensorisch-diskriminative, affektiv-motivationale und kognitiv-evaluative Komponenten.

Netzwerke im Gehirn

Obwohl das Konzept des Schmerzes im Laufe des Lebens erlernt wird, ist nicht bekannt, wann und wie sich die Gehirnnetzwerke entwickeln, die für die Codierung dieser verschiedenen Dimensionen des Schmerzes erforderlich sind. Nun hat sich ein Forschungsteam vom University College London um die Neuropsychologin Dr. Laura Jones erneut mit der Frage beschäftigt. Mithilfe von Datenbanken und MRT-Bildern wollten die Forschenden nachvollziehen, wie sich das sogenannte Schmerz-Konnektom entwickelt. Es stellte sich heraus, dass diese Entwicklung nicht einen exakten Startpunkt hat, sondern stufenweise verläuft. Die Ergebnisse sind im »Journal of the International Association for the Study of Pain« veröffentlicht.

Während die schmerzbezogenen Netzwerke etwa bis zur 32. Schwangerschaftswoche denen von Erwachsenen weit hinterherhinken, beschleunige sich die Entwicklung danach stark, fasst Casser die Ergebnisse zusammen. Zunächst reifen die sensorischen Areale des Schmerzes, die schädliche Reize registrieren und schließlich in der 34. bis 36. Schwangerschaftswoche funktionsfähig sind. Dagegen bleiben kognitive Zentren, die bewusste Bewertung und Interpretation von Schmerz ermöglichen, bis nach der Geburt noch unreif.

Das könne erklären, warum Neugeborene zwar reagierten, aber Schmerz nicht wie Erwachsene einordnen könnten, heißt es. Mit anderen Worten können die Kleinen den Gedanken von »Das tut weh« noch nicht fassen, wie der Philosoph schildert.

Fehleinschätzung mit Folgen

Die Geschichte dieser Forschung liest sich seinen Angaben zufolge wie eine Abfolge von Kehrtwenden. Im 18. und 19. Jahrhundert hielten viele Ärzte Säuglinge für besonders schmerzempfindlich. Auch die Geburt galt als schmerzhaftes Ereignis für das Kind.

Doch mit Fortschritten in der Embryologie in den 1870er-Jahren kippte diese Denkweise. Das unreife Nervensystem ließ die Wissenschaft an einer echten Schmerzerfahrung von Babys zweifeln. Die Folgen waren drastisch. Fast ein Jahrhundert lang operierten Mediziner Säuglinge teilweise ohne Betäubung. Erst ab den 1980er-Jahren setzte sich langsam durch, dass diese Praxis eine Fehleinschätzung war.

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts hatte die öffentliche Empörung erneut zu einer Wendung geführt, wie Casser berichtet. Anerkannt sei seitdem, dass Schmerz bei Neugeborenen existiere – wenn auch in anderer Form als bei Erwachsenen.

Das Kernproblem bleibt jedoch bestehen: Schmerz ist eine innere Erfahrung, die sich nicht direkt beobachten lässt. Ein Zurückweichen oder messbare neuronale Aktivität der Säuglinge können zwar Hinweise darauf sein, beweisen aber nichts. Ob Reflex oder Empfindung – die Interpretation bleibt also unsicher. Wie Casser zu bedenken gibt, bleiben die derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse weiterhin Vermutungen – aber solche, die zunehmend fundierter zu werden scheinen.

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