Ab ins Körbchen? Bloß nicht! |
Sven Siebenand |
11.08.2023 15:40 Uhr |
Beim Pilze sammeln ist Vorsicht geboten. Nur geübte Pilzammler sollten selbst gesammelte Pilze verzehren. / Foto: Imago Images/Steffen Schellhorn
Wie die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) informiert, wurden allein dort seit Anfang August bereits sechs Personen auf der Intensivstation wegen einer Pilzvergiftung behandelt, eine davon ist inzwischen verstorben, bei einer weiteren muss eventuell die Leber transplantiert werden. Für die Vergiftungsfälle verantwortlich seien vor allem Knollenblätterpilze.
Der Knollenblätterpilz wächst in Zeitraum von August bis Oktober in Laub- und Laubmischwäldern. Zu erkennen ist er an einem 3 bis 15 cm breiten Hut, der glockig bis schirmartig ausgebreitet ist. An der Unterseite befinden sich weiße Lamellen. Die Farbe des Giftpilzes ist grün, grün-gelb oder weiß.
Oft sind es laut der MHH Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion oder dem Mittleren Osten, die von den Vergiftungen betroffen sind. Manche werden Knollenblätterpilze aus der Heimat schlicht nicht kennen. Zudem sieht der Knollenblätterpilz mitunter auch genießbaren Speisepilzen aus anderen Regionen der Welt zum Verwechseln ähnlich. Der Grüne Knollenblätterpilz kann laut der Deutschen Gesellschaft für Mykologie zum Beispiel mit essbaren Champignons oder grünen Täublingen verwechselt werden.
Die MHH informiert weiter, dass Knollenblätterpilze für 90 Prozent aller tödlichen Pilzvergiftungen verantwortlich sind. Enthalten sind zwei Gruppen toxischer Cyclopeptide: Amatoxine und Phallotoxine. Die Gefahr geht insbesondere von den Amatoxinen aus. Diese sind gut wasserlöslich, hitzeresistent, überstehen die Magen-Darm-Passage unbeschadet und werden gut resorbiert. In den Zellen hemmen sie die RNA-Polymerase II und unterbinden dadurch die Bildung von messenger-RNA.
Charakteristisch ist, dass die toxische Wirkung erst mehrere Stunden nach dem Verzehr einsetzt. Zunächst treten Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall auf. Nach ein bis zwei Tagen kommt es zur Schädigung der Leber, die von Blutgerinnungs- und Nierenfunktionsstörungen begleitet werden kann.
Besteht der Verdacht einer Pilzvergiftung, sollte dringend der Notarzt gerufen werden. Zur Erleichterung der Diagnose sollten Pilzreste und Erbrochenes aufgehoben werden. Dies betont aktuell auch die Deutsche Leberstiftung in einer Pressemitteilung. Betroffene sollten ferner keinesfalls auf angebliche Hausmittel gegen Vergiftungen wie »Milch trinken« oder »Erbrechen hervorrufen« vertrauen. Erbrochenes kann schließlich in die Lunge geraten und Milch die Aufnahme von Gift begünstigen, was die Situation unter Umständen noch verschlechtert.
Wegen der großen Gefahr sollten gesammelte Pilze vor dem Verzehr von einer Pilz-sachverständigen Person bestimmt werden. Auf Fotobeispiele oder Apps, die bei der Bestimmung von Pilzen helfen sollen, solle man sich nicht verlassen. Auch angebliche überlieferte Merkmale für die Ungiftigkeit von Pilzen wie Maden- oder Schneckenbefall seien irreführend.
Abschließend informiert die Deutsche Leberstiftung, dass nicht nur bei Giftpilzen, sondern auch bei essbaren Exemplaren eine Vergiftungsrisiko bestehen kann: Zu alte Pilze, gleichgültig ob aus eigenem Sammelgut oder gekauft, können gesundheitsschädlich sein. Und auch falsch gelagerte Pilze, die beispielsweise nicht durchgehend gekühlt werden, in einer nicht atmenden Plastikverpackung aufbewahrt werden oder tagelang in Kellern und Kisten liegen, können die Ursache für eine Vergiftung sein. Viele Waldpilze würden ähnlich schnell wie rohes Hackfleisch verderben und sollten innerhalb von 24 Stunden zubereitet werden. Bei matschigen Pilzen habe bereits die Zersetzung des Pilzeiweißes begonnen, was zu einer Lebensmittelvergiftung führen kann.