67 Vergiftungsfälle nach Magen-Botox in Europa |
Christina Hohmann-Jeddi |
14.03.2023 17:30 Uhr |
Durch Botox-Injektionen in den Magen soll die Tätigkeit des Organs gesenkt und somit die Gewichtsreduktion unterstützt werden. Der Eingriff kann zu Vergiftungen mit dem Botulinum-Neurotoxin führen. / Foto: Adobe Stock/magicmine
53 Vergiftungen sind laut ECDC-Mitteilung in der Türkei aufgetreten, zwölf in Deutschland, jeweils eine in der Schweiz und in Österreich. Laut bisherigen Informationen hätten sich alle Betroffenen zwischen dem 22. Februar und dem 1. März einer Botox-Behandlung des Magens unterzogen, die durch Hemmung der Magentätigkeit zur Gewichtsreduktion beitragen soll. 60 Fälle seien auf eine Privatklinik in Istanbul und drei weitere auf eine Privatklinik in Izmir zurückzuführen.
Die Symptomatik reichte von mild bis schwer, mehrere Personen seien hospitalisiert worden. In einigen Fällen wurden Patienten auf der Intensivstation behandelt und erhielten ein Gegengift (Botulinum-Antitoxin). Das ECDC rät Personen, die sich ab dem 22. Februar einer solchen Magenbehandlung unterzogen hatten und Vergiftungssymptome verspüren, diese ärztlich abklären zu lassen. Anzeichen für eine Botox-Vergiftung seien Schwäche in den Gliedmaßen, Atem- und Schluckbeschwerden. Die Behörde rät von Magen-Botox-Behandlungen zur Gewichtsreduktion in der Türkei ab, da diese derzeit mit einem erheblichen Vergiftungsrisiko assoziiert seien. Noch sei unklar, ob die Behandlungen falsch durchgeführt wurden oder Probleme mit dem verwendeten Botox-Präparat bestünden, heißt es von der ECDC weiter.
Laut Ermittlung von türkischen Behörden seien die verwendeten Produkte zugelassen, aber nicht für Injektionen in den Magen zur Behandlung der Adipositas. Die genannten Kliniken mussten ihre Tätigkeit in diesem Bereich einstellen; Ermittlungen gegen Beteiligte wurden begonnen.
Botulismus ist eine schwere Nervenlähmungs-Erkrankung, die durch das Gift des Bakteriums Clostridium botulinum verursacht wird. Sie kann auf natürliche Weise bei Wundinfektionen, beim Verzehr kontaminierter Lebensmittel oder bei einer Besiedlung des Darms durch die neurotoxinbildenden Keime (intestinaler Botulismus) entstehen. Auch bei Faltenbehandlungen mit Botox oder dem therapeutischen Gebrauch bei spastischen Muskelkrämpfen kann es laut ECDC zu Vergiftungen kommen, wenn das Präparat überdosiert eingesetzt wird. Auch hier können schwerwiegende Symptome auftreten, die eine Krankenhausbehandlung mit Antitoxingabe notwendig machen. Zur Mortalität lägen hier kaum Informationen vor, bei Lebensmittel-Botulismus betrage die Sterblichkeit 5 bis 10 Prozent.
Auch eine deutsche Fachgesellschaft sieht die Botox-Behandlungen zur Gewichtsreduktion skeptisch. »Der Nutzen dieses Eingriffs ist bisher nicht gut genug belegt. Wir beobachten das kritisch und sprechen keine Empfehlung aus«, sagte der Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhethisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC), Professor Dr. Detlev Hebebrand, gegenüber der Deutschen Presseagentur. Im seriösen Bereich gebe es für Magen-Botox-Behandlungen in Deutschland bisher keinen großen Markt. »Der Effekt einer solchen Behandlung dürfte kaum länger als etwa sechs Monate anhalten«, sagte Hebebrand. Es sei fraglich, ob der Nutzen des Eingriffs überhaupt über den Placeboeffekt hinausgehe.
»Bei diesen Magenbehandlungen werden wesentlich höhere Botox-Mengen eingesetzt als etwa gegen Falten im Gesicht«, ergänzt der Mediziner aus Rotenburg. Es sei unklar, wie lange es dauert, bis der Stoff im Körper wieder abgebaut wird. Es handelt sich um ein endoskopisches Verfahren, das durch den Mund und ohne Vollnarkose durchgeführt wird. In der Folge soll sich die Magenbewegung verringern. Ziel ist eine länger anhaltende Sättigung.