Pharmazeutische Zeitung online

Weizengenom entschlüsselt: Allergenen auf der Spur

 

Nach jahrelangen internationalen Anstrengungen ist das komplexe Erbgut des Weizens nahezu vollständig entschlüsselt. Eine Gruppe von mehr als 200 Forschern aus 73 Einrichtungen in 20 Ländern hat in der Fachzeitschrift «Science» das Genom von Brotweizen, der weltweit wichtigsten Weizenart, veröffentlicht. Die im International Wheat Genome Sequencing Consortium (IWGSC) zusammengeschlossenen Forscher erhoffen sich davon Verbesserungen für die Welternährung.

 

Weizen sei das Grundnahrungsmittel für mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung und mache fast 20 Prozent der Kalorien und Proteine aus, die Menschen weltweit verbrauchten, schreiben die Forscher. Die Kenntnis des Genoms soll die Herstellung von Sorten erleichtern, die höhere und stabilere Erträge bringen und besser an den Klimawandel angepasst sind. Forscher analysieren in einer Zusatzstudie auch jene Gene, die an Allergien beteiligt sind. Dies biete Hoffnung für Menschen mit Unverträglichkeiten, etwa gegen den Inhaltsstoff Gluten.

 

Die Entschlüsselung des Weizengenoms war weltweit mit Spannung erwartet worden. Man habe sogar erst für das nächste Jahr damit gerechnet, sagt der Vizepräsident des Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen, des Julius-Kühn-Instituts, Frank Ordon. Er sprach von einem Meilenstein. «Man kann jetzt Gene, die für landwirtschaftlich bedeutende Eigenschaften codieren, schneller identifizieren und damit gezielter züchten. Das wird den Zuchtfortschritt beschleunigen.»

 

Konventionelle Weizenzüchtung dauere bis zur neuen Sorte etwa zehn Jahre. Nun sei das in Kombination mit anderen Techniken deutlich schneller möglich. «Ich sehe die große Herausforderung jetzt darin, herauszufinden, welche Gene und welche Gennetzwerke für welche landwirtschaftlichen Eigenschaften verantwortlich sind», sagt Ordon, der auch Vorsitzender des Forschungskomitees der von den G20 Staaten gegründeten Weizeninitiative ist. «Dann kann man nach Genvarianten suchen, die leistungsfähiger sind.»

 

In etwa zwei bis drei Jahren sei mit ersten Erfolgen bei der Verwendung des Genoms für die Züchtung zu rechnen, schätzt Manuel Spannagl vom Helmholtz-Zentrum München, das zusammen mit dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gatersleben federführend an der Studie beteiligt war. Das Konsortium hatte 13 Jahre an der Entschlüsselung geforscht. Bereits zur Sequenzierung des Erbguts von Reis, Mais und Gerste hatten sich ähnliche internationale Zusammenschlüsse gebildet. Weizen war das letzte große agrarwirtschaftlich wichtige Pflanzengenom, das Rätsel aufgab und das besonders schwer zu knacken war.

 

«Die vollständige Sequenzierung des Genoms von Brotweizen wurde lange Zeit für unmöglich gehalten, da es enorm groß und komplex ist», sagte Nils Stein vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gatersleben. Während das menschliche Erbgut rund 20.000 Gene enthält, fanden die Forscher beim Brot- oder Weichweizen (Triticum aestivum) 107.891 Gene. «Wir schätzen, dass wir damit 94 Prozent entschlüsselt haben», sagt Spannagl. Der Brotweizen habe ein noch komplexeres Genom als der für Nudeln genutzte Hartweizen (Triticum durum). «An Pasta-Weizen arbeiten wir gerade.» Auch andere Weizenarten sollen nun genauer unter die Lupe kommen. «Es geht jetzt darum, die natürliche Vielfalt im Weizen zu verstehen und nutzbar zu machen.»

 

Da auch moderne Technologien das Erbgut nicht in einem Stück entschlüsseln konnten, standen den Forschern bei ihrer Arbeit immer nur Fragmente zur Verfügung. Um den korrekten Zusammenbau dieser Teilsequenzen nachzuvollziehen, entwickelte das Team spezielle Algorithmen. Sie konnten schließlich klären, welche Gene wo liegen, wie sie organisiert sind und welche Aufgaben einzelne Gene übernehmen. Dabei verfolgten die Forscher auch die Spur jener Gene, die Weizenunverträglichkeiten von der Zöliakie bis zum Bäckerasthma auslösen, und veröffentlichten dazu parallel zur Hauptstudie weitere Ergebnisse in der Fachzeitschrift «Science Advances».

 

«Wir sind jetzt in der Lage, die allergieauslösenden Gene sehr viel genauer und besser zu charakterisieren», sagte Spannagl. «Wir haben keine völlig neuen Gene gefunden, die für verschiedene Unverträglichkeiten verantwortlich sind. Aber wir konnten die Position feststellen, wo sich die Gene befinden.» Damit könne man nun auf züchterischem und theoretisch auch auf gentechnischem Weg schnell zu neuen Weizensorten kommen, die weniger allergieauslösende Proteine wie Gluten enthalten.

 

Insgesamt fünf Veröffentlichungen begleiten die Hauptpublikation. Eine Studie wendet die Erkenntnisse bereits an: Sie zeigt, wie stark oder abgeschwächt einzelne Gene unter verschiedenen Bedingungen wie etwa bei Trockenheit wirken. Diese und zahlreiche weitere Studien, welche die Genomsequenz von Weizen bereits nutzen, wurden möglich, da schon im Januar 2017 eine Arbeitsversion der nun veröffentlichten vollständigen Gensequenz für weiterführende Forschungsarbeiten bereitgestellt worden war.

DOI: 10.1126/science.aar7191 («Science»)

DOI: 10.1126/sciadv.aar8602 («Science Advances»)

 

Lesen Sie dazu auch

Zöliakie: Strategien der Arzneistoff-Forscher, PZ 14/2018

 

17.08.2018 l dpa

Foto: Fotolia/agentinorange

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.