«Diabulimie»: Gefährliche Stoffwechselentgleisungen möglich |
Fast ein Drittel der jungen Typ-1-Diabetikerinnen weist eine Essstörung auf. Darauf weist die Organisation diabetes.de – Deutsche Diabetes Hilfe hin. Verbreitet sind vor allem Bulimie und «Insulin-Purging», ein bewusster Insulinverzicht, um abzunehmen. Unerkannt und unbehandelt können demnach schwere Stoffwechselentgleisungen und Folgeschäden an Organen wie Herz, Augen, Nieren oder Nerven die Folge sein. In der Podcast-Reihe «Blutzucker» von diabetes.de berichtet eine Betroffene über eigene Erfahrungen mit der «Diabulimie».
«Ich wollte abnehmen und erinnerte mich daran, dass ich vor der Diabetes-Diagnose Gewicht verloren hatte. Also verringerte ich absichtlich meine Insulingaben und der gewünschte Effekt trat ein», sagt Lisa Schütte, Bloggerin und Typ-1-Diabetikerin, 28 Jahre alt. Das Insulin-Purging ist bei essgestörten Frauen mit Diabetes typisch. Sie spritzen sich bewusst weniger Insulin als nötig oder stellen die Insulingaben zeitweise ganz ein: Die Nieren spülen die mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydrate über den Urin aus dem Körper, weshalb diese Bulimie-Form auch «Erbrechen über die Nieren» genannt wird. «Man denkt, man hat es unter Kontrolle, aber das ist nicht der Fall!» Bei Lisa Schütte war ein ketoazidotisches Koma die Folge, zwei Wochen verbrachte sie auf der Intensivstation. «Vorher hatte ich auch schon länger meinen Blutzucker nicht mehr gemessen oder die Werte dokumentiert», so die Studentin.
Ursachen für ihr Verhalten seien unter anderem mangelnde Akzeptanz der Erkrankung und Selbstwertprobleme gewesen, erklärt Schütte: «Als Betroffene muss man sich ständig mit dem Diabetes auseinandersetzen: Ernährung, Insulintherapie, Blutzuckereinstellung und damit verbundene Arztbesuche gehören plötzlich zum Leben. Sind die Werte trotz Einhalten der Therapie schlecht oder nimmt man zu, löst das Frust und Schuldgefühle aus.»
Die schwere Stoffwechselentgleisung mit Krankenhausaufenthalt war der Wendepunkt in ihrem Leben: «Heute schiebe ich den Diabetes nicht mehr beiseite. Dabei haben mir eine Psychotherapie und die Unterstützung meiner Familie und meines Partners sehr geholfen.» Sie rät Menschen mit Diabetes, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, Vertrauenspersonen in ihrem Umfeld anzusprechen, seien es der Diabetologe, Familie oder Freunde. (ch)
23.02.2018 l PZ
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