Daclizumab: Auf EMA-Warnung folgt Rote-Hand-Brief |
Derzeit wird das Multiple-Sklerose-Mittel Daclizumab (Zinbryta®) auf europäischer Ebene bezüglich seines Risikos für Leberschädigungen neu beurteilt. Nachdem der Pharmakovigilanz-Ausschuss der Europäischen Arzneimittelagentur EMA bereits Anfang Juli vorsorgliche Beschränkungen ausgesprochen hatte, verdeutlicht Hersteller Biogen die neuesten Empfehlungen zur Anwendung des Antikörpers jetzt in einem Rote-Hand-Brief.
Zunächst wird auf eine strenge Indikationsstellung hingewiesen: Daclizumab soll nur zur Behandlung erwachsener Patienten mit schubförmiger Multipler Sklerose (Relapsing MS) eingesetzt werden, deren Erkrankung trotz Behandlung mit einem vollständigen und angemessenen Zyklus einer krankheitsmodifizierenden Therapie weiterhin hoch aktiv ist oder bei rasch fortschreitender, schwerer schubförmiger MS, für die eine Behandlung mit anderen krankheitsmodifizierenden Therapien nicht geeignet ist. Wenn die Patienten nicht ausreichend auf Daclizumab ansprechen, sollte der Arzt ein Absetzen erwägen.
Neu ist, dass Daclizumab bei Patienten mit vorbestehender Lebererkrankung oder Leberfunktionsstörung kontraindiziert ist. Ärzte sollten für alle ihre Patienten unter laufender Daclizumab-Therapie überprüfen, ob die Behandlung weiterhin für sie geeignet ist. Die Serumtransaminase- und Bilirubin-Werte müssen mindestens einmal im Monat kontrolliert werden, sowohl während der Therapie als auch noch für bis zu vier Monate nach der letzten Daclizumab-Dosis.
Alle Patienten müssen auf Anzeichen und Symptome einer Leberschädigung überwacht werden. Die Patienten sollten wissen, worauf sie achten müssen. Als Warnzeichen gelten Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, gelbliche Verfärbung der Haut und der Lederhaut des Auges sowie dunkel gefärbter Urin. Treten solche Anzeichen auf, muss der Patient unverzüglich zu einem Hepatologen, heißt es im Rote-Hand-Brief.
Bei der gleichzeitigen Anwendung von Daclizumab und anderen hepatotoxischen Arzneistoffen sei Vorsicht geboten, auch bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wie Paracetamol oder pflanzlichen Präparaten. Leiden die Patienten unter einer oder mehreren weiteren Autoimmunerkrankungen, wird ein Therapiebeginn mit Daclizumab nicht empfohlen.
Anlass der derzeit laufenden Risikobewertung ist der Tod einer Patientin aufgrund einer tödlich verlaufenden fulminanten Leberinsuffizienz, der trotz Einhaltung der bis dato empfohlenen Maßnahmen zur Risikominimierung inklusive Überwachung der Leberfunktion eintrat. Allerdings nahm die Patientin auch das Muskelrelaxans Tizanidin ein, das ebenfalls die Leber schädigen kann, und litt unter der Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis.
Grundsätzlich war das leberschädigende Potenzial des Medikaments bereits bei der Zulassung im Juli 2016 bekannt und entsprechende Risikokontrollmaßnahmen waren von Beginn der Vermarktung an vorgeschrieben. Trotzdem kam es zu weiteren Fällen schwerwiegender Leberschäden. Mit einem Ergebnis der Risikobewertung ist im Laufe des Jahres zu rechnen. (dh)
Link zum Rote-Hand-Brief
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18.07.2017 l PZ
Foto: Biogen