Blutgerinnung: Finale Daten zu Pradaxa-Antidot veröffentlicht |
Der Antikörper Idarucizumab (Praxbind®), der als Antidot gegen den direkten oralen Thrombinhemmer Dabigatran (Pradaxa®) zugelassen ist, kann bei Pradaxa-Patienten akute Blutungen innerhalb von 2,5 Stunden stoppen und solche, die eine Notoperation benötigen, innerhalb von 1,6 Stunden dafür zugänglich machen. Das sind die finalen Ergebnisse der Phase-III-Studie RE-VERSE AD, die kürzlich im Fachmagazin «New England Journal of Medicine» veröffentlicht wurden.
In der im Jahr 2014 gestarteten multizentrischen Studie wurden inzwischen 503 auf Dabigatran eingestellte Patienten mit Idarucizumab behandelt: 301 aufgrund einer akuten, nicht beherrschbarem Blutung und 202 zur Vorbereitung auf einen dringenden Eingriff. Als primärer Endpunkt war die Aufhebung der Dabigatran-induzierten Antikoagulation innerhalb von vier Stunden definiert. Das Ausmaß der gerinnungshemmenden Aktivität wurde dabei anhand der beiden Laborparameter verdünnte Thrombinzeit (dTT) und Ecarin-Gerinnungszeit (ECT) bestimmt. Sekundärer Endpunkt war unter anderem die Zeit bis zur Wiederherstellung einer normalen Hämostase.
Den primären Endpunkt erreichten 100 Prozent der Patienten. Bei den Patienten mit akuter Blutung konnte diese nach durchschnittlich 2,5 Stunden gestoppt werden. Bei den Patienten, die eine Notoperation oder -intervention benötigten, wurde im Durchschnitt nach 1,6 Stunden mit dem Eingriff begonnen. Dabei zeigten 93,4 Prozent eine normale Hämostase. «RE-VERSE AD zeigt, dass Idarucizumab die Dabigatran-induzierte Antikoagulation innerhalb von Minuten aufheben kann und eine sofortige, vollständige und anhaltende Antagonisierung ermöglicht», sagte Professor Dr. Charles Pollack, Studienleiter und Notfallmediziner am Sidney Kimmel Medical College der Thomas Jefferson University in Philadelphia in einer Pressemitteilung. Behandelnde Ärzte könnten sich dadurch vollständig auf den vorliegenden Notfall konzentrieren.
In der Studie ergaben sich keine Hinweise auf klinisch relevante Sicherheitsbedenken, die in Verbindung mit Idarucizumab standen. Das Studienkollektiv umfasste ältere, multimorbide Patienten, die mit schweren Eignissen eingeliefert wurden, darunter intrakranielle Blutung, multiples Trauma und Sepsis. Die Mortalitätsrate lag nach 90 Tagen bei 18, 8 Prozent (Blutungen) beziehungsweise 18,9 Prozent (Notfall-OP). Zu diesem Zeitpunkt waren bei 6,3 Prozent beziehungsweise 7,4 Prozent thrombotische Ereignisse aufgetreten, was laut der Studienautoren mit der Inzidenz solcher Komplikationen nach großen operativen Eingriffen oder Hospitalisierung aufgrund von nicht beherrschbaren Blutungen bei Patienten unter Vitamin-K-Antagonisten konsistent ist.
Praxbind ist in Deutschland seit 2016 zur Behandlung Dabigatran-behandelter Patienten zugelassen, wenn eine rasche Aufhebung der antikoagulatorischen Wirkung erforderlich ist. Die Zulassung basiert auf einer Zwischenauswertung der RE-VERSE AD-Studie, die nach der Behandlung der ersten 90 Patienten veröffentlicht wurde. Darunter waren 51 Patienten, bei denen es unter Dabigatran zu einer schweren Blutung gekommen war. Die übrigen Patienten waren mit Idarucizumab behandelt worden, um vor einer dringend notwendigen Operation die Blutgerinnung wieder herzustellen.
Praxbind ist ein humanisiertes Antikörperfragment, das als spezifisches Antidot für Pradaxa entwickelt wurde. Es bindet mit sehr hoher Affinität an Dabigatran. Dabei ist die Affinität etwa um das 300-Fache höher als die Bindungsaffinität von Dabigatran zu Thrombin. Die Wirkung tritt unmittelbar nach der intravenösen Applikation ein.
DOI: 10.1056/NEJMoa1707278
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19.07.2017 l PZ
Foto: Boehringer Ingelheim