HIV-Infektion: Normale Geburt möglich |
Unter kontrollierter antiretroviraler Therapie können HIV-positive Frauen ihr Kind natürlich auf die Welt bringen, ohne sein Risiko für eine Übertragung des Virus im Vergleich zu einer Kaiserschnittgeburt zu erhöhen. Kennzeichen für eine ausreichende Therapie ist eine Viruslast unter der Nachweisgrenze, das sind weniger als 50 Virus-RNA-Kopien pro Milliliter Blut. Bis vor wenigen Jahren war der Kaiserschnitt (Sectio) die Methode der Wahl. Dies ging auf zwei große Studien Anfang der 1990er-Jahre zurück, die gezeigt hatten, dass Neugeborene, die per Sectio zur Welt kamen, deutlich seltener mit HIV infiziert waren. Allerdings gab es damals nur Zidovudin (Azidothymidin, AZT) zur Therapie. «Etwa 30 bis 40 Prozent der Frauen entbinden heute vaginal», erklärte Privatdozentin Dr. Andrea Gingelmaier von der Universitätsfrauenklinik München bei den 14. Münchner Aids-Tagen.
Die European Collaborative Study bestätigte 2005, dass ein geplanter Kaiserschnitt die Transmissionsrate halbierte – aber nur bei Frauen mit hoher Viruslast, betonte die Gynäkologin. Drei Jahre später ergab eine große französische Kohortenstudie, dass die Ansteckungsrate des Kindes unabhängig vom Geburtsmodus bei 0,5 bis 0,7 Prozent liegt, wenn die Frauen eine Viruslast unter 400 Kopien/ml hatten.
Die aktuelle deutsch-österreichische Leitlinie zur HIV-Therapie bei Schwangeren ist strenger: Die Frauen sollten zuverlässig antiretrovirale Medikamente einnehmen, am Ende der Schwangerschaft eine Viruslast unter 50 und keine geburtshilflichen Risiken haben. Dann sei auch keine Infusion von AZT während der Geburt nötig, informierte Gingelmaier. Das Neugeborene bekommt allerdings für zwei bis vier Wochen AZT-Sirup. In München habe es bei 115 vaginalen Geburten keine HIV-Infektion des Kindes gegeben.
Auf die Nutzen-Risiko-Abwägung der antiretroviralen Therapie in der Schwangerschaft wies Dr. Milena Sovric, ebenfalls von der Uni-Frauenklinik München, hin. Allerdings zeigte das «Antiretroviral Pregnancy Registry» in seinem Zwischenbericht 2011 keine erhöhte Fehlbildungsrate. Ausgewertet wurden die Daten von 13.507 Lebendgeburten seit Januar 1989; mehr als 300 verschiedene antiretrovirale Therapieregime wurden dokumentiert. Es gab 384 Fehlbildungen. «Die Fehlbildungsrate von 2,8 Prozent unterscheidet sich nicht signifikant von der Rate von 2,7 Prozent in der Normalbevölkerung», sagte die Gynäkologin. Sie mahnte zur Vorsicht mit neuen Substanzen. (bmg)
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19.03.2012 l PZ
Foto: TK