100-prozentiger Schutz vor HIV-1-Infektion |
Theo Dingermann |
25.06.2024 09:00 Uhr |
Zweimal jährlich, statt einmal täglich: In einer Studie in Südafrika und Uganda traten unter dem zweimal jährlich subkutan verabreichten Kapsid-Inhibitor Lenacapavir bei den teilnehmenden Frauen null Infektionen auf. Er war damit einer einmal täglichen oralen Gabe von Truvada überlegen. / Foto: Adobe Stock/AS Photo Family
Hersteller Gilead Sciences untersucht derzeit in der Phase-III-Studie PURPOSE 1 die Sicherheit und Wirksamkeit einer zweimal jährlichen subkutanen Injektion des HIV-1-Kapsid-Inhibitors Lenacapavir zur PrEP bei mehr als 5300 Frauen im Alter von 16 bis 25 Jahren. Die Studie findet an 25 Standorten in Südafrika und drei Standorten in Uganda statt. Da aus ethischen Erwägungen keine Placebogruppe infrage kommt, wurden zwei Kontrollgruppen eingeschlossen. Die jeweiligen Probandinnen erhielten entweder eine einmal tägliche Gabe von Descovy® (Emtricitabin 200 mg/Tenofoviralafenamid 25 mg) oder Truvada® (Emtricitabin 200 mg/Tenofovirdisoproxil 245 mg). Die Studienteilnehmerinnen wurden im Verhältnis von 2:2:1 auf Lenacapavir, Descovy und Truvada randomisiert.
In einer Pressemitteilung berichtet nun Gilead Sciences über die Daten einer Zwischenauswertung. Sie zeigen, dass die wichtigsten Endpunkte der Studie, die Überlegenheit hinsichtlich der HIV-Hintergrundinzidenz (bHIV) und die HIV-Inzidenz pro 100 Jahre Nachbeobachtungszeit gegenüber einer einmal täglich oralen Dosis von Truvada, erreicht wurden. Tatsächlich zeigten die Daten, dass zweimal jährlich verabreichtes Lenacapavir Frauen zu 100 Prozent vor einer HIV-1-Infektion schützt.
Auf Basis dieser Ergebnisse empfiehlt das unabhängige Datenüberwachungskomitee (Data Monitoring Committee, DMC), die verblindete Phase der Studie abzubrechen und allen Teilnehmerinnen Lenacapavir zur offenen Anwendung anzubieten. »Mit null Infektionen und einer 100-prozentigen Wirksamkeit hat das zweimal jährlich verabreichte Lenacapavir sein Potenzial als wichtiges neues Mittel zur Prävention von HIV-Infektionen unter Beweis gestellt«, sagte Dr. Merdad Parsey, Gileads Chief Medical Officer.
Lenacapavir (Sunlenca®, Gilead) wurde 2022 von der Europäischen Kommission zur Behandlung einer HIV-1-Infektion zugelassen und ist der erste zugelassene Vertreter der Kapsid-Inhibitoren. Als Kapsid wird die kegelförmige Proteinhülle von HIV bezeichnet, die das virale Genom und virale Enzyme umschließt. Diese Hülle, die aus Kapsid-Hexameren und -Pentameren zusammengesetzt ist, ist essenziell für die Virus-Replikation.
Die Kapsid-Hexamere und -Pentamere wiederum sind aus Kapsid-Monomeren aufgebaut, die aus zwei alpha-helicalen Domänen, der N-terminalen Domäne (CANTD) und C-terminalen Domäne (CACTD), bestehen. Lenacapavir bindet an die CANTD-CACTD-Schnittstelle zwischen den Kapsid-Untereinheiten und stört damit dessen Funktion.
Derzeit laufen noch laufen derzeit weltweit noch fünf HIV-Präventionsstudien aus dem PURPOSE-Studienprogramm. Ende 2024/Anfang 2025 erwartet Gilead Sciences Ergebnisse aus der Studie PURPOSE 2, die eine zweimal jährliche Injektion von Lenacapavir für die PrEP bei homosexuellen Männern, Transgender-Männern und Transgender-Frauen untersucht. Fallen diese ebenfalls positiv aus, plant das Unternehmen, einen Zulassungsantrag für Lenacapavir für die PrEP zu stellen.