Zweifel an Verhandlungslösung |
Alexander Müller |
30.09.2024 12:32 Uhr |
Der Vorsitzende des Landesapothekerverbands Sachsen-Anhalt, Mathias Arnold (links), und der Arzneimittelrechtsexperte Professor Dr. Elmar Mand warnen vor den möglichen Folgen der geplanten Apothekenreform. / Foto: LAV Sachsen-Anhalt
Mehr Geld will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Apotheken nicht geben – der Entwurf seines Apotheken-Reformgesetzes (ApoRG) sieht nur eine Umverteilung des Honorars vor. Doch ab 2027 soll der Deutsche Apothekerverband (DAV) dann mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) über die Vergütung verhandeln.
»Ich bin äußerst skeptisch, was diese Lösung anbelangt«, sagte Professor Elmar Mand bei den Wirtschaftstagen des Landesapothekerverbands Sachsen-Anhalt in Merseburg. Jurist Mand ist Honorarprofessor an der Universität Marburg und unparteiisches Mitglied der Apotheken-Schiedsstelle nach § 129 Abs. 8 SGB V. Das heißt: Sollten sich die Vertragspartner nicht einigen können, müsste die Schiedsstelle unter dem Vorsitz von Rainer Hess (Vorsitz) sowie Mand und Professor Ingwer Ebsen über die Apothekenvergütung entscheiden.
Bislang ist die Politik allein zuständig für die Anpassung der Vergütung. Da das Honorar seit Jahren eingefroren ist, erhoffen sich manche in der Apothekerschaft von der Verhandlungslösung mehr Bewegung – sofern die politischen Leitplanken für die Verhandlungen stimmen. »Den Optimismus der Apotheker kann ich absolut nicht teilen«, so Mand mit Verweis auf seine Erfahrungen in anderen Schiedsverfahren.
Nach der massiven Absenkung der Preise für Zytostika-Grundsubstanzen war die Apothekerseite davon ausgegangen, dass die Arbeitspreise entsprechend erhöht werden. Die GKV-Seite habe dann ein Gutachten vorgelegt mit der Forderung, den Arbeitspreis zu halbieren, berichtet Mand. Jetzt liegt die Sache vor Gericht und Mand rechnet mit einem letztinstanzlichen Urteilsspruch erst in einigen Jahren.
Dasselbe Schicksal würde nach seiner Erwartung einem Schiedsspruch zum Apothekenhonorar drohen. »Ich gehe felsenfest davon aus, dass unser erster Schiedsspruch beklagt wird und dass wir dann über viele Jahre hin Rechtsunsicherheit haben.«
Dazu kommt aus Mands Sicht, dass Verhandlungen mit den Krankenkassen nicht auf Augenhöhe stattfinden. Denn die Kassenseite vereine 100 Prozent der Nachfrage auf sich, weshalb es selbst in Schiedsverhandlungen ein Machtgefälle gebe. »Deshalb halte ich es für einen Kardinalfehler, diese letztlich politische Entscheidung in die Hand von völlig ungleichen Verhandlungspartnern zu geben.«
Einziger Lichtblick der Apotheker im ApoRG ist die geplante Wiederfreigabe der Skonti. Der Gesetzgeber will damit auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) reagieren. Doch Mand dämpfte auch hier die Euphorie. Zumindest in der bisherigen Fassung werde die Klarstellung im Gesetz den Apotheken nämlich keine Klarheit bringen.
Laut Gesetzentwurf soll § 2 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) ergänzt werden, in dem die Großhandelsvergütung geregelt ist. Doch mit der bisher bekannten Formulierung wird laut Mand gar nichts geändert, weil der Großhandelsfestzuschlag von derzeit 73 Cent weiterhin nicht berührt werden dürfe – auch nicht durch die Gewährung von Skonti.
Die Rabattgrenze bleibe damit bei 3,15 Prozent. Mands Vermutung: Das Ministerium schaffe bewusst Unklarheit. Damit würden im Markt zunächst wieder Skonto gewährt und die Politik habe das Thema bis zu einer erneuten gerichtlichen Klärung vom Hals. »Wir haben es mit einer Neueinführung von Rechtsunsicherheit zu tun«, so Mand.
Schwerwiegender ist aus seiner Sicht die geplante Strukturreform, die oft kritisierte Einführung der »Apotheke ohne Apotheker«. Die Verabschiedung des Leitbilds sei »fatal«, so Mand. »Was passiert, wenn wir diese Leitungsverantwortung aufgegeben und die Arzneimittelabgabe durch Nicht-Apotheker zu Regelversorgungsform machen? Die subjektive Verantwortlichkeit ist dann so stark gelöst, dass das gesamte System nicht mehr darauf gestützt werden kann.«
Der Gesetzgeber habe im Gesundheitsbereich einen weiten Gestaltungspielraum, sei aber die Kohärenz, erklärte Mand weiter. Widersprüchliche Regelungen seien ansonsten angreifbar. Wenn sich eine Apotheke wie nach den Vorhaben des Gesetzes quasi auch aus der Ferne steuern ließe, verlören die Beschränkungen zu Fremd- und Mehrbesitz ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung, so Mand.