Zwei neue Peroralia bei PNH |
Brigitte M. Gensthaler |
10.07.2024 07:00 Uhr |
Seit Anfang Juli steht auch Iptacopan zur Behandlung von Erwachsenen mit PNH zur Verfügung. Wie Danicopan ist auch Iptacopan (Fabhalta® 200 mg Hartkapseln, Novartis Pharma) ein Orphan Drug. Fabhalta wird angewendet als Monotherapie zur Behandlung erwachsener PNH-Patienten, die eine hämolytische Anämie haben.
Im Unterschied zum Faktor-D-Inhibitor Danicopan zielt Iptacopan auf den Faktor B ab, hemmt damit aber ebenfalls selektiv den alternativen Signalweg des Komplementsystems. Dies verhindert die Aktivierung der C3-Konvertase und die nachfolgende Bildung von C5-Konvertase und kontrolliert damit sowohl die C3-vermittelte extravaskuläre Hämolyse als auch die terminale komplementvermittelte intravaskuläre Hämolyse.
Die empfohlene Dosis beträgt 200 mg zweimal täglich peroral unabhängig von den Mahlzeiten. Dies gilt auch bei leichter bis mittelschwerer Leber- oder Niereninsuffizienz. Wenn die Patienten eine oder mehrere Einnahmen vergessen haben, sollen sie so schnell wie möglich eine Dosis einnehmen – auch wenn die nächste planmäßige Einnahme unmittelbar bevorsteht – und dann mit dem üblichen Dosierungsschema fortfahren. Haben sie mehrere Dosen versäumt oder wird Iptacopan abgesetzt, sollten sie auf Anzeichen einer Hämolyse überwacht werden. Ohnehin sollten die Patienten laut Fachinformation regelmäßig auf Symptome einer Hämolyse kontrolliert werden; dazu gehört die Messung des Laktatdehydrogenase-Spiegels.
Patienten, die von C5-Inhibitoren auf das neue Medikament wechseln, sollten nicht später als eine Woche nach der letzten Eculizumab-Dosis beziehungsweise nicht später als sechs Wochen nach der letzten Ravulizumab-Dosis mit Iptacopan beginnen.
Vor dem Start einer Therapie mit Iptacopan müssen Patienten gegen Meningokokken und Streptokokken geimpft sein. Bei ungeimpften Personen sowie bei nicht abgeklungenen Infektionen mit bekapselten Bakterien ist Iptacopan kontraindiziert.
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Iptacopan wurden in zwei offenen Phase-III-Studien über 24 Wochen geprüft, eine mit einem Vergleichspräparat und eine ohne.
Die APPLY-PNH-Studie (DOI: 10.1182/blood-2022-171469) schloss 97 PNH-Patienten ein, die trotz einer mindestens sechsmonatigen Behandlung mit C5-Inhibitoren (Eculizumab oder Ravulizumab) an einer Anämie litten (Hb < 10 g/dl). Sie erhielten über 24 Wochen entweder eine orale Monotherapie mit Iptacopan oder bekamen weiterhin die Anti-C5-Behandlung. Die primären Endpunkte waren ein Anstieg der Hb-Spiegel um mindestens 2 g/dl gegenüber Baseline und/oder Hb-Spiegel von mindestens 12 g/dl.
Die orale Therapie war deutlich überlegen. Bei 51 von 60 auswertbaren Patienten verbesserte sich der Hb-Wert (≥ 2 g/dl) und 42 erreichten Hämoglobin-Spiegel ≥ 12 g/dl (ohne Bluttransfusion); dies war bei keinem Patienten im Anti-C5-Regime der Fall. Zudem brauchten 59 von 62 Patienten im Iptacopan-Studienarm keine Bluttransfusion versus 14 in der Anti-C5-Gruppe. Auch bei anderen sekundären Endpunkten wie Fatigue oder der Rate von klinischen Durchbruchs-Hämolysen war Iptacopan überlegen. Die positiven Effekte hätten in der Verlängerungsstudie über 48 Wochen angehalten, berichtete Hersteller Novartis im Dezember 2023.
In die einarmige Phase-III-Studie APPOINT-PNH (DOI: 10.1056/NEJMoa2308695) wurden 40 PNH-Patienten eingeschlossen, die noch keine Komplementinhibitoren bekommen hatten. Alle erhielten zweimal täglich 200 mg Iptacopan. In Woche 24 war der Hb-Wert bei 31 von 33 Patienten angestiegen (≥ 2 g/dl) and 19 erreichten anhaltende Hb-Spiegel von ≥ 12 g/dl. Niemand benötigte eine Bluttransfusion.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren obere Atemwegsinfekte, Kopfschmerzen und Diarrhö. Die häufigste schwerwiegende Nebenwirkung war eine Harnwegsinfektion.
Die gleichzeitige Verabreichung von Iptacopan mit starken Induktoren von CYP2C8, UGT1A1, P-gp, BCRP und OATP1B1/3 wie Rifampicin ist nicht klinisch untersucht. Dennoch wird sie wegen einer möglichen verminderten Wirksamkeit von Iptacopan nicht empfohlen.
Laut In-vitro-Daten kann Iptacopan das Cytochrom-Isoenzym CYP3A4 induzieren und die Plasmaspiegel von CYP3A4-Substraten verringern. Vorsicht ist daher geboten bei gleichzeitiger Anwendung mit empfindlichen CYP3A4-Substraten, vor allem solchen mit geringer therapeutischer Breite; das sind zum Beispiel Carbamazepin, Ciclosporin, Fentanyl, Pimozid, Sirolimus und Tacrolimus. Ähnliches gilt für CYP2C8-Substrate wie Repaglinid, Dasabuvir oder Paclitaxel, deren Plasmaspiegel unter Iptacopan steigen können.
PNH ist eine seltene Erkrankung, bei der eine unkontrollierte Komplementaktivierung zur Zerstörung der Erythrozyten durch intravasale und extravasale Hämolyse führt. Während es für viele seltene Erkrankungen wenige oder keine Therapeutika gibt, ist das bei PNH komplett anders. Es gibt bereits gegen den Komplementfaktor C5 gerichtete Antikörper und einen Wirkstoff, der auf C3 abzielt. Innerhalb weniger Wochen kamen nun zwei weitere Substanzen hinzu.
Sowohl Iptacopan als auch Danicopan haben ein neues Target in der Komplementkaskade, können positive Studiendaten vorweisen und beide sind für die orale Therapie bestimmt. Damit sind beide Wirkstoffe vorläufig bei den Sprunginnovationen einzuordnen. Da Iptacopan auch als Monotherapie gegeben werden kann, ist der Innovationscharakter dieses Wirkstoffs noch ein bisschen höher als jener von Danicopan.
Doch schauen wir zunächst auf Danicopan. Der Wirkstoff bindet an den Komplementfaktor D und hemmt diesen. Dadurch wird der alternative Weg der Komplementaktivierung unterdrückt. Zugelassen ist Danicopan nur als Add-on zu einem C5-Hemmer wie Eculizumab oder Ravulizumab. Zusätzlich zu einem solchen Antikörper verabreicht, führte Danicopan im Vergleich zu Placebo zu einem klinisch relevanten Hämoglobin-Anstieg. Weiterer Nutzen waren ein signifikanter Rückgang der Fatigue, der Zahl der benötigten Bluttransfusionen und Blutmenge sowie der Bilirubin-Werte.
Einer Veröffentlichung im Fachjournal »Blood« zufolge war Danicopan auch als Monotherapie wirksam. Allerdings ließ sich laut der Publikation bei einigen Patienten die intravasale Hämolyse durch die Monotherapie nur suboptimal kontrollieren. Ein weiterer oraler Faktor-D-Inhibitor, Vemircopan, hat den gleichen Wirkmechanismus wie Danicopan, weist aber eine höhere Wirksamkeit und Bindungsaffinität für Faktor D auf. Er stammt ebenfalls, wie die beiden C5-Hemmer Eculizumab und Ravulizumab, aus dem Hause Alexion. Die Firma informiert allerdings auf Nachfrage, dass die Entwicklung von Vemircopan in der Indikation PNH nicht weiterverfolgt wird. Auch eine andere PNH-Monotherapie mit einem Faktor-D-Hemmer werde nicht vorangetrieben. Somit bleibt es also vorerst dabei, dass Patienten, die den einzigen verfügbaren Faktor-D-Hemmer Danicopan erhalten sollen, zusätzlich mit einem der beiden Antikörper behandelt werden müssen.
Auch pharmakokinetische Unterschiede sind bei den beiden neuen Wirkstoffen von Interesse. Danicopan muss dreimal pro Tag gegeben werden, Iptacopan nur zweimal täglich. Zudem kommt es ohne einen C5-Hemmer aus. Das Wirkprinzip, die Faktor-B-Hemmung, ist dem von Danicopan recht ähnlich. Auch Iptacopan hemmt den alternativen Komplementweg. Die Studienergebnisse zeigen, dass der neue Wirkstoff als Monotherapie einer Anti-C5-Monotherapie überlegen ist. Für die Patienten stellt es sicher eine Vereinfachung dar, komplett auf die C5-Hemmer-Infusionen verzichten zu können.
Für das Gesundheitssystem bedeutet dies aber keine Kostenersparnis. Schaut man auf die Medikamentenpreise, dann ist eine Iptacopan-Monotherapie am Ende sogar leicht teurer als die Kombination aus Danicopan und einem C5-Hemmer. Der C5-Hemmer wird infundiert, sodass hierdurch natürlich noch Behandlungskosten anfallen, die man hinzuaddieren müsste.
Sven Siebenand, Chefredakteur