Zwei Bundesländer, eine Meinung zum Apotheken-Protest |
Sven Siebenand |
14.06.2023 18:00 Uhr |
Mitarbeiterinnen der Viktoria-Apotheke in Saarbrücken informierten die Patientinnen und Patienten über die Gründe für den heutigen Protesttag. / Foto: PZ/Siebenand
Es sind aber bei Weitem nicht nur die mahnenden und besorgten Stimmen aus dem Verband und Verein, die heute zu vernehmen sind. Informieren statt nur zumachen: Nach diesem Motto handeln viele, so auch die Viktoria-Apotheke in Saarbrücken. Wie Lena Kelly, angestellte Approbierte in der Apotheke, gegenüber der PZ mitteilt, zeigen fast alle Patientinnen und Patienten, denen sie einen Infoflyer in die Hand drückt oder mit denen sie über die Gründe für den heutigen Protesttag ins Gespräch kommt, Verständnis für die Aktion. Viele würden verstehen, dass die Apotheken auch für sie und ihre Gesundheitsversorgung in der Zukunft kämpfen. Das ganze Team macht mit, so Kelly. Ständig sitzen einige Mitarbeitende draußen vor der Apotheke oder verteilen in der Einkaufsstraße Flyer. In der Offizin gehen andere wiederum ans Telefon – und erklären dort, warum heute dicht ist. »Medikamente vorbestellen per Telefon, das ist heute nicht«, sagt Kelly.
Die Viktoria-Apotheke ist kein Einzelfall: Susanne Koch, Vorsitzende des Saarländischen Apothekervereins, hebt bei der Pressekonferenz in Saarbrücken hervor, dass sie von keiner Apotheke in Saarbrücken wisse, die heute geöffnet hat – abgesehen von den zum Notdienst eingeteilten Apotheken. Der Vorsitzende des Apothekerverbandes Rheinland-Pfalz, Andreas Hott, weiß aus seinem Bundesland ähnliches zu berichten. Außer den Notdienstapotheken seien die trotz Protesttag geöffneten Apotheken in ganz Rheinland-Pfalz an einer Hand abzuzählen.
Koch betonte, dass der heutige Protest der Apotheken nicht gegen die Patientinnen und Patienten gerichtet sei, vielmehr kämpfe man auch für deren Gesundheitsversorgung. »Wir wollen heute über die tatsächliche Situation der Apotheken in Deutschland informieren«, sagte sie eingangs der Veranstaltung an die Vertreterinnen und Vertreter der Presse gerichtet. Die Zahl der Apothekenbetriebsstätten ist in Deutschland seit Jahren rückläufig, sagte Koch. Rheinland-Pfalz und das Saarland seien vom Apothekensterben besonders betroffen. »Allein in den vergangenen vier Jahren haben wir im Saarland 10 Prozent aller Apotheken dauerhaft verloren.« Ähnlich sei der Verlauf in Rheinland-Pfalz. Dieser Trend hat direkte Auswirkungen auf die Patientinnen und Patienten, zum Beispiel hinsichtlich der Zahl der notdiensthabenden Apotheken. »Die Entfernungen zur nächsten Notdienst-Apotheke werden vielerorts sehr viel größer werden«, unterstrich Hott.
Dass die Zahl der Apotheken dramatisch zurückgeht – bei gleichzeitiger besorgniserregender Altersstruktur der gegenwärtigen Inhaberinnen und Inhaber – liegt laut Koch an der mangelnden finanziellen Ausstattung der Apotheken. »Die Apothekenvergütung bleibt deutlich hinter der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zurück. Dadurch wird es gerade für Jüngere immer unattraktiver, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.« Koch kritisierte, dass die Politik seit Jahren nicht bereit ist, die Apotheken an den wirtschaftlichen Entwicklungen teilhaben zu lassen. Sie erinnerte daran, dass der Festzuschlag auf verschreibungspflichtige Arzneimittel seit 2004 überhaupt nur einmal zwischenzeitlich leicht angepasst wurde. Hott pflichtete seiner Kollegin bei. »Immer hören wir, dass im Moment kein Geld für die Erhöhung des Apothekenhonorars da sei. Dieser Moment wird nun schon 20 Jahre alt.« Und weiter: »Jetzt läuft das Fass über und wir wehren uns gegen diesen nicht gerechtfertigten Umgang mit uns.«
Von links: Andreas Hott, Vorsitzender des Apothekerverbandes Rheinland-Pfalz, Susanne Koch, Vorsitzende des Saarländischen Apothekervereins und Carsten Wohlfeil, Geschäftsführer des Saarländischen Apothekervereins bei der Pressekonferenz in Saarbrücken. / Foto: PZ/Siebenand
Sowohl Koch als Hott unterstrichen die Forderung des Berufstandes, dass der Festzuschlag gemäß Arzneimittelpreisverordnung von 8,35 Euro netto auf 12 Euro netto erhöht werden muss und danach jährlich automatisch zu dynamisieren ist. Die Erhöhung des sogenannten Fixums ist elementar wichtig, betonte Hott. Darüber hinaus gibt es weitere Forderungen, etwa die Abschaffung von Nullretaxationen, der Wegfall unnötiger Bürokratie sowie eine angemessene Vergütung des Managements von Lieferproblemen bei Arzneimitteln. Wo ein Wille, da ein Weg: Sehr leicht, so Hott, ließen sich einige dieser Punkte noch im Rahmen des Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) umsetzen.
Hott betonte, dass der Beruf des Apothekers ein wunderschöner ist, allerdings müssten die Rahmenbedingungen stimmen. Nur so würde man auch den Nachwuchs von der Uni wieder für die öffentliche Apotheke begeistern können. Momentan sei dies absolut nicht der Fall. Bei einer Umfrage unter den Absolventinnen und Absolventen des Faches Pharmazie in Mainz hätten kürzlich nur drei von 78 Befragten sich vorstellen können, zukünftig in der öffentlichen Apotheke zu arbeiten. Hott nahm abschließend auch Bezug auf die pharmazeutischen Dienstleistungen, von denen die Patientinnen und Patienten sehr profitieren können. Allerdings scheitere die Umsetzung in vielen Apotheken momentan am Personal- und Zeitmangel – leider.