Pharmazeutische Zeitung online
Fachartikel des IQWiG

Zusatznutzen auch bei Orphan Drugs nachweisen

In Deutschland müssen Hersteller bei Arzneimitteln gegen seltene Erkrankungen, sogenannten Orphan Drugs, unterhalb einer bestimmten Umsatzschwelle keinen Zusatznutzen nachweisen. Experten des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) fordern nun, den Status »Zusatznutzen« nur zu vergeben, wenn dafür solide Nachweise durch Studien vorliegen.
Anne Orth
12.05.2023  09:00 Uhr

Seit 2011 ist das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der Gesetzlichen Krankenversicherung (AMNOG) in Kraft. Seitdem müssen die Hersteller neuer Arzneimittel nachweisen, dass ihr Medikament einen Zusatznutzen im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie aufweist. Diese Regelung gilt allerdings nicht für Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen, solange diese eine bestimmte Umsatzschwelle nicht überschritten haben. Mit diesem sogenannten fiktiven Zusatznutzen soll ein Anreiz für die Pharmaunternehmen gesetzt werden, auch Arzneimittel für einen kleinen Patientenkreis auf den Markt zu bringen. Die Umsatzschwelle setzte der Gesetzgeber mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das seit November 2022 in Kraft ist, von 50 auf 30 Millionen Euro herab. Wenn Unternehmen diese Schwelle mit 30 Millionen Euro überschreiten, werden ihre Präparate in der Preisbildung wie normale Arzneimittel bewertet.

Nun haben ein Team um Philip Kranz, Natalie McGauran und Thomas Kaiser vom IQWiG zusammen mit Rita Banzi vom italienischen Mario-Negri-Institut einen Fachartikel in einer Publikation des Bundesjustizministeriums veröffentlicht. Darin sind sie laut IQWiG der Frage nachgegangen, ob die Annahme eines fiktiven Zusatznutzens bei Orphan Drugs gerechtfertigt ist. In dem Beitrag kommen sie demnach zum Ergebnis, dass »wir es oft nicht wissen«, ob die neuen Arzneimittel gegen seltene Leiden besser sind als existierende Behandlungsformen. Das Fazit der Autorinnen und Autoren: »Das Label, wonach Arzneimittel gegen seltene Krankheiten einen realen therapeutischen Zusatznutzen aufweisen, sollte nur auf der Grundlage solider Nachweise, sprich robuster Evidenz, erteilt und vom Zulassungsprozess vollständig entkoppelt werden«, heißt es in der Mitteilung vom 10. Mai. Dies würde Anreize dafür schaffen, die Überlegenheit des neuen Wirkstoffs im Vergleich zum Therapiestandard frühzeitig nachzuweisen und letztlich die Behandlungsergebnisse der Patienten verbessern.

Auch bei Orphan Drugs sind Studien möglich

Auswertungen des Instituts hätten gezeigt, dass auch bei Orphan Drugs die Generierung solider Daten durch randomisierte kontrollierte Studien möglich sei. Die IQWiG-Experten schlagen vor, internationale Register für seltene Erkrankungen aufzubauen, um die Datenlage zu verbessern. Unsicherheiten durch kleine Studienpopulationen könne man mit statistischen Methoden begegnen. IQWiG-Leiter Thomas Kaiser kritisiert, dass derzeit vor allem die spätere Kostenerstattung von Orphan Drugs gefördert werde. »Weit wichtiger ist jedoch, die frühzeitige Generierung aussagekräftiger Studienergebnisse zu unterstützen«, betont Kaiser.

BPI hält Sonderstellung für notwendig

Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) warnt hingegen in einer Ende Februar veröffentlichten Pressemitteilung davor, die Sonderstellung der Orphan Drugs im AMNOG abzuschaffen. Da die betroffenen Patientengruppen klein seien, müssten preispolitische Anreizstrukturen richtig gesetzt sein, damit pharmazeutische Unternehmen spezielle Therapien auch für nur wenige Patientinnen und Patienten entwickeln könnten. Diese hätten das gleiche Recht auf eine gute Gesundheitsversorgung wie Menschen mit häufigen Erkrankungen. »Eine geeignete Gesetzgebung auf nationaler sowie europäischer Ebene ist daher auch Ausdruck des politischen Willens, Menschen mit seltenen Erkrankungen adäquat zu versorgen«, so der BPI.

Laut IQWiG hat die Zahl der Orphan Drugs seit der Einführung der EU-Verordnung neu zugelassenen Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen im Jahr 2000 stark zugenommen. Wurden im ersten Jahrzehnt nach der EU-Verordnung 63 Orphan Drugs zugelassen, stieg ihre Zahl demnach im zweiten Jahrzehnt auf 133. Allein im vergangenen Jahr hätten 22 Wirkstoffe gegen seltene Erkrankungen die Marktzulassung erhalten. Nach Angaben des Instituts leben in der Europäischen Union 30 Millionen Menschen, die an mehr als 6000 verschiedenen seltenen Erkrankungen leiden.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa