Zusatzbeitrag für 2025 steigt auf 2,5 Prozent |
Ev Tebroke |
16.10.2024 14:08 Uhr |
Finanzierungslücke wächst: Permanent steigende Ausgaben sowie unsichere wirtschaftliche Rahmenbedingungen reißen immer tiefere Löcher ins Budget der Gesetzlichen Krankenversicherung. / © AdobeStock/Stockfotos-MG
Der Zusatzbeitrag für 2025 steigt um 0,8 Prozentpunkte. Er liegt damit im kommenden Jahr bei 2,5 Prozent. So lautet die Prognose des Schätzerkreises der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die Berechnungen, die soeben veröffentlicht wurden, befeuern damit die allgemeinen Befürchtungen über explodierende Kassenbeiträge.
Die Einnahmen des Gesundheitsfonds werden in diesem Jahr auf 284,2 Milliarden Euro geschätzt. Diese beinhalten den regulären Bundeszuschuss in Höhe von 14,5 Milliarden Euro abzüglich des Anteils für die landwirtschaftliche Krankenkasse sowie weitere rund 96 Millionen Euro für zusätzliche Aufwendungen im Bereich Kinderkrankengeld. Zudem wird bei der Schätzung der Einnahmen des Gesundheitsfonds eine Zuführung aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds in Höhe von rund 3,1 Milliarden Euro berücksichtigt. In seiner Einnahmenschätzung habe der GKV-Schätzerkreis die gesetzlich vorgegebene Anpassung der Beitragsbemessungsgrenze in 2025 berücksichtigt, heißt es.
Die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds betragen entsprechend der rechtlichen Vorgaben unverändert 283,5 Milliarden Euro. Die voraussichtlichen Ausgaben der Krankenkassen für das Jahr 2024 werden auf 319,7 Milliarden Euro prognostiziert.
Für das Jahr 2025 erwartet der Schätzerkreis Einnahmen des Gesundheitsfonds in Höhe von 294,7 Milliarden Euro. Diese beinhalten den regulären Bundeszuschuss in Höhe von 14,5 Milliarden Euro abzüglich des Anteils für die landwirtschaftliche Krankenkasse. Die Ausgaben der Krankenkassen im Jahr 2025 belaufen sich voraussichtlich auf 341,4 Milliarden Euro und sind damit erneut deutlich gestiegen.
Die finanzielle Situation der GKV ist besorgniserregend. Permanent steigende Ausgaben sowie unsichere wirtschaftliche Rahmenbedingungen reißen immer tiefere Löcher ins Budget. Im ersten Halbjahr 2024 rutschten die Kassen bereits mit 2,2 Milliarden Euro ins Defizit. Für das Gesamtjahr rechnete der GKV-Spitzenverband bislang mit einem Minus von 4 bis 4,5 Milliarden Euro und somit bereits Ende des Jahres mit einer Unterfinanzierung. »Mit diesem erwarteten Defizit werden die Mindestreserven der Kassen zum Jahresende im Schnitt unter der gesetzlich festgelegten Mindestreserve von 20 Prozent bei nur noch rund 14 Prozent einer Monatsausgabe liegen«, so zuletzt GKV-Chefin Doris Pfeiffer anlässlich der Halbjahrsbilanz. Der Zusatzbeitrag hätte 2 Prozent betragen müssen, um die GKV auskömmlich finanzieren zu können und nicht, wie im Herbst 2023 geschätzt, 1,7 Prozent, hieß es.
Angesichts der Schätzerkreis-Prognosen sehen sich die Kassen nun in ihren Befürchtungen bestätigt. Für die Krankenkassen ergebe sich nun für das kommende Jahr ein drastischer Erhöhungsdruck, so die Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer. »Denn bei den meisten Krankenkassen stehen keine Reserven mehr zur Verfügung, um Beitragssteigerungen im nächsten Jahr zu vermeiden oder auch nur abzumildern.« Sie fordert die Politik auf, endlich zu reagieren. Auch seitens der AOK ist man empört: »Es ist ein sozialpolitischer Skandal, dass der Lückenschluss allein den Beitragszahlenden aufgehalst wird und gleichzeitig die Finanzierungsverantwortung des Bundes bei der Refinanzierung der Gesundheitskosten von Bürgergeld-Beziehern ignoriert wird.«, so die Reaktion des AOK-Bundesverbands.
Als Grund für die Ausgabenexplosion führt der Spitzenverband die zahlreichen in den letzten zehn Jahren beschlossenen Gesetze an. Diese hätten die Gesundheitsversorgung verteuert. Nach Angaben des Verbands der Ersatzkassen (vdek) sind die Ausgaben in besagtem Zeitraum um mehr als 50 Prozent gestiegen. Für das Jahr 2025 hat der GKV-Spitzenverband eine weitere Beitragserhöhung von 0,5 bis 0,6 Prozentpunkten prognostiziert. Die anstehende »teure Krankenhausreform« sei da noch nicht eingepreist, so Pfeiffer in einer Mitteilung. Nun sind es sogar 0,8 Prozentpunkte.
Lauterbach hatte zuletzt versichert, mit seinen geplanten Strukturreformen auch die Kostenexplosion in der GKV in den Griff zu bekommen und einen Stopp der Beitragssteigerungen in Aussicht gestellt. Die Reformen würden eine Stabilisierung der Beitragssätze bewirken, so der Minister in einem Interview mit dem Handelsblatt. Auf die Frage, ob er dies versichern könnte, sagte er: »Ja, das kann ich.« Es bringe nichts, »einfach mehr Geld in das System zu pumpen, ohne die Strukturen zu reformieren.« So hatte Lauterbach zuletzt auch beim Deutschen Apothekertag argumentiert, als es um die wirtschaftliche Stärkung der Apotheken und Lauterbachs umstrittenes Apotheken-Reformgesetz (ApoRG) ging.
Der Wirtschaftsrat der CDU mahnt ebenfalls, das deutsche Gesundheitssystem stehe vor einer erheblichen Finanzierungsherausforderung. Diese bedrohe langfristig die Stabilität und Erschwinglichkeit der medizinischen Versorgung. Mit Bezug auf eine Studie von Deloitte warnt der Rat für 2025 vor einer Deckungslücke von 46 Milliarden Euro – als unmittelbare Folge des demografischen Wandels. Die Babyboomer stehen kurz vorm Rentenalter und mit einer insgesamt alternden Bevölkerung steige der Druck auf das Gesundheitssystem. »Es bedarf daher dringend einer nachhaltigen und verantwortungsvollen Finanzierung, um die flächendeckende und qualitativ hochwertige medizinische Versorgung in Deutschland langfristig zu sichern«, hieß es heute in einer Mitteilung des Wirtschaftsrats im Vorfeld der Schätzerkreis-Bekanntmachung.
Der allgemeine Beitragssatz ist festgeschrieben und liegt bei 14,6 Prozent. Davon tragen Arbeitgeber und Arbeitnehmer je die Hälfte. Seit dem 1. Januar 2015 sind die Krankenkassen nach § 242 SGB V verpflichtet, einen individuellen Zusatzbeitrag für ihre Mitglieder zu erheben, wenn sie aus der Zuweisung des Gesundheitsfonds ihre Ausgaben nicht decken können. Musste dieser Zusatzbeitrag früher nur von Arbeitnehmerseite geleistet werden, so wird er seit 2019 ebenfalls paritätisch getragen.
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) legt nach Auswertung der Ergebnisse des Schätzerkreises den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz für das Jahr 2025 fest und gibt ihn bis zum 1. November 2024 im Bundesanzeiger bekannt.