Zur Rose hat sich verspekuliert |
Der Doc Morris-Mutterkonzern Zur Rose hat ein erschreckend schlechtes Geschäftsjahr 2021 hinter sich. / Foto: ©grund.photo
Im März 2019 präsentierte der Schweizer Pharmahandelskonzern Zur Rose seine Jahreszahlen für das Geschäftsjahr 2018. Damals kündigte CEO Walter Oberhänsli selbstbewusst an, dass man bis 2022 den Umsatz auf 2,4 Milliarden verdoppeln werde und eine EBITDA-Ziel-Gewinnmarge von 5 bis 6 Prozent anstrebe. Grund für den Optimismus war damals fast ausschließlich die geplante Einführung des E-Rezeptes. Der Rx-Marktanteil der Versender, der traditionell bei rund 1 Prozent liegt, werde mindestens auf 10 Prozent steigen. 2018 machte Zur Rose (Doc Morris) einen Rx-Umsatz von etwa 200 Millionen Euro – bei einem 10-prozentigen Marktanteil der Versender werde dieser auf 1,9 Milliarden Euro steigen, so die Rechnung der Schweizer.
Noch ist das Jahr 2022 in vollem Gange – doch Zur Rose/Doc Morris sind auf dem besten Wege, diese damals formulierten Ziele zu verfehlen. Denn die am heutigen Donnerstag präsentierte Jahresbilanz zeigt, wie tief der Konzern weiterhin in den roten Zahlen steckt. Demnach ist der Umsatz zwar wiederholt gestiegen und lag im Vergleich zum Vorjahr 15,5 Prozent höher, bei rund 2 Milliarden Schweizer Franken (umgerechnet rund 1,95 Milliarden Euro). Das Bereinigte Betriebsergebnis vor Abschreibungen und Wertminderungen (EBITDA) ist im Vergleich zu 2020 jedoch massiv abgerutscht. Während der Konzern 2020 noch einen Verlust von rund 31 Millionen Franken schrieb, lag das Minus im vergangenen Jahr bei rund 129 Millionen Franken. Die EBITDA-Gewinnmarge lag demnach bei Minus 7,5 Prozent. Das negative Unternehmensergebnis rutschte von Minus 136 Millionen Franken (2020) auf Minus 226 Millionen Franken ab.
Das Geschäft des EU-Versenders Doc Morris lief gleich in mehreren Bereichen schlecht. Zwar konnte der Konzern seine Kundenzahl ausbauen – auf 12,4 Millionen aktive Kunden. Allerdings verringerten sich sowohl im OTC- als auch im Rx-Bereich die Bestellzahlen. Während der durchschnittliche Warenkorb-Wert 2020 noch bei 122 Euro (Rx) und 41 Euro (OTC) lag, sanken die Werte im vergangenen Jahr auf 115 Euro (Rx) und 39 Euro (OTC). Auch die Anzahl an Bestellungen pro Kunde sank – sowohl im Rx- als auch im OTC-Markt. Den massiv angestiegenen EBITDA-Verlust erklärt der Konzern aber auch mit Investitionen: 34 Millionen Franken habe man alleine für die technische Vorbereitung aufs E-Rezept ausgegeben. Ein großer Faktor für den Verlust dürften aber auch die schlechter laufenden OTC-Geschäfte gewesen sein. Zur Erinnerung: Insbesondere zu Beginn der Pandemie hatten die Versender große Gewinne im Non-Rx-Bereich gemacht. Alleine zwischen 2019 und 2020 wuchs der Online-OTC-Markt laut Zur Rose um rund 15 Prozent. Im vergangenen Jahr ist der OTC-Markt für Versender dann aber nur noch um 3,6 Prozent gestiegen.
Weiterhin beruhen alle Hoffnungen auf Besserung im Zur-Rose-Konzern auf dem E-Rezept. Doc-Morris-Chef Walter Hess erklärte gegenüber Investoren und Medienvertretern, dass man die derzeitige Phase vor der E-Rezept-Einführung als »Chance« sehe, sich auf das zu erwartende Wachstum einzustellen. Man erwarte, dass sich das E-Rezept nach seiner flächendeckenden Einführung in Deutschland schnell verbreite. Er habe noch keine Studie gesehen, die dagegenspreche, so Hess. Durch eine Margen-Verbesserung, Leistungsverbesserungen und strukturelle Synergien wolle man 2024 ein neutrales EBITDA-Ergebnis vorlegen. Unter anderem müssten dazu das Marketing verbessert und eingeschränkt, Kosten reduziert und organisatorische Prozesse optimiert werden, hieß es weiter.
Man gehe davon aus, dass das E-Rezept im Laufe dieses Jahres flächendeckend funktionieren werde. In der Testphase habe man bislang rund 230 E-Rezepte erfolgreich abgewickelt, hieß es. Mit Blick auf das laufende Geschäftsjahr plant Zur Rose eine Verringerung des EBITDA-Verlustes, angepeilt ist dann aber immer noch ein zweistelliges Millionen-Minus zwischen 75 und 95 Millionen Schweizer Franken.
Auch personell ist bei Zur Rose und Doc Morris einiges los. Bereits bekannt war, dass Zur Rose-CEO Oberhänsli bei der anstehenden Generalversammlung des Schweizer Konzerns als neuer Präsident des Verwaltungsrates vorgeschlagen wird und somit das operative Geschäft verlässt. Interessant ist auch, dass Professor Volker Amelung nicht mehr für eine Wiederwahl ins Zur-Rose-Gremium zur Verfügung steht. Amelung ist Professor für Internationale Gesundheitssystemforschung an der Medizinischen Hochschule Hannover und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Managed Care. Die Nachfolge von Oberhänsli wird der derzeitige Doc-Morris-Chef Walter Hess antreten, der seine Aufgabe erst Ende 2020 von Olaf Heinrich übernommen hatte. Neuer Doc Morris-Chef soll Matthias Peuckert werden, der zuletzt CEO beim Online-Händler windeln.de war und davor beim Online-Konzern Amazon angestellt war.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.