Zungenbrecher bei seltener Krebsart |
Annette Rößler |
30.06.2021 07:00 Uhr |
Diese Vorsichtsmaßnahmen sind notwendig, weil Tagraxofusp sehr häufig ein Kapillarlecksyndrom (CLS) auslösen kann. In den Zulassungsstudien waren 18 Prozent der Patienten von dieser potenziell tödlichen Komplikation betroffen, bei der Blutplasma und Plasmaproteine infolge einer pathologischen Durchlässigkeit der Kapillargefäße ins Gewebe übertreten. In den allermeisten Fällen trat ein CLS während des ersten Behandlungszyklus mit Tagraxofusp auf. Kommt es zu dieser Nebenwirkung, muss die Behandlung auf jeden Fall unterbrochen werden. Sie kann aber, wenn sich der Zustand des Patienten stabilisiert hat, fortgesetzt werden.
Weitere sehr häufige Nebenwirkungen sind Hypoalbuminämie, Transaminasenanstiege, Thrombozytopenie, Übelkeit, Fatigue und Fieber. Häufig sind unter anderem schwere Überempfindlichkeitsreaktionen, Zytokinsturm und Tumorlysesyndrom.
Die klinische Wirksamkeit und die Sicherheit von Tagraxofusp wurden in einer randomisierten, offenen, mehrstufigen Studie mit 65 zuvor unbehandelten BPDCN-Patienten untersucht. Der primäre Endpunkt war die Kombination aus den Raten der kompletten Remission (CR), also einer vollständigen Rückbildung der Erkrankung, und der klinischen kompletten Remission (cCR), worunter eine CR mit residualer, nicht auf eine aktive Krankheit hinweisender Hautanomalie verstanden wurde. Laut Fachinfo wurde dieser Endpunkt bei 56,9 Prozent der Patienten erreicht.
Bei der Handhabung von Elzonris ist zu beachten, dass das Präparat im gefrorenen Zustand bei -20 bis -5 °C und im Umkarton zu lagern und zu transportieren ist. Nach dem Auftauen darf es nicht wieder eingefroren werden. Vor der Anwendung muss das Konzentrat mit isotonischer Kochsalzlösung verdünnt und in eine Spritze aufgezogen werden. Über eine Y-Kopplung wird zudem eine zweite Spritze mit isotonischer Kochsalzlösung angeschlossen, die zum Spülen des Infusionsbestecks dient.
Tagraxofusp ist als Sprunginnovation anzusehen. Das Wirkprinzip des Fusionsproteins erinnert an jenes von Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten. Tagraxofusp entert die Tumorzelle, nachdem es an den Interleukin-3-Rezeptor gebunden hat und setzt danach ein Zellgift frei. Das alleine ist schon fortschrittlich. Hinzu kommt, dass es sich um den ersten zugelassenen Arzneistoff für die Behandlung der blastischen plasmozytoiden dendritischen Zellneoplasie handelt, einer seltenen, aber aggressiv verlaufenden malignen Erkrankung. Die Studienergebnisse sind zwar nicht umfangreich, jedoch vielversprechend.
Gut möglich, dass es zukünftig weitere Anwendungsgebiete für den Wirkstoff geben wird. Denn der Interleukin-3-Rezeptor ist auch bei anderen Krebsarten verstärkt auf der Oberfläche der Tumorzellen vorhanden. Tagraxofusp wird zum Beispiel bereits bei Myelofibrose und akuter myeloischer Leukämie klinisch getestet.
Sven Siebenand, Chefredakteur