Zuhören aktiviert Muskelspiel im Ohr |
Annette Rößler |
14.03.2025 07:00 Uhr |
Wer genau zuhört, spitzt im Wortsinn seine Ohren. Die Bewegung ist allerdings so klein, dass man sie mit bloßem Auge kaum wahrnimmt. / © Getty Images/ZenShui/Eric Audras
Im Gegensatz zu Hunden, Katzen und vielen anderen Säugetierarten haben Menschen die Fähigkeit verloren, ihre Ohren aktiv zu bewegen – zumindest die meisten. Außer bei den 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung, die mit den Ohren wackeln können, sind die Ohrmuskeln beim Menschen zwar vorhanden, aber nicht in Gebrauch. Als Forschungsobjekt ziehen sie jedoch immer wieder das Interesse von Neurowissenschaftlern auf sich.
Einer davon ist Professor Dr. Daniel J. Strauss von der Universität des Saarlandes. Er berichtet jetzt mit einem Team um Erstautor Andreas Schröer im Fachjournal »Frontiers in Neuroscience« von neuen Erkenntnissen zu den Ohrmuskeln. Demnach ist das von Tieren bekannte Ohrenspitzen bei angestrengt zuhörenden Menschen ansatzweise durchaus vorhanden.
Die Forschenden machten ihre Versuche mit 20 gesunden, gut hörenden Freiwilligen. Diesen sollten einem Podcast lauschen und sich den Inhalt merken. Es gab drei Versuchsdurchgänge mit ansteigendem Schwierigkeitsgrad: Zusätzlich zum »Zielpodcast«, auf den sich die Probanden konzentrieren sollten, spielten die Wissenschaftler erst einen und dann zwei »Störpodcasts« ab; außerdem variierten sie die Lautstärken. Als die Testpersonen nach den einzelnen Durchgängen zum Inhalt des Zielpodcasts abgefragt wurden, sollten sie auch selbst angeben, wie sehr sie sich beim Zuhören angestrengt hatten.
Bei Tieren fällt das Ohrenspitzen oft eindrucksvoller aus als beim Menschen. / © Adobe Stock/Sandra
Die Probanden hielten den Kopf starr in eine Richtung, während sie dem Zielpodcast und den Störpodcast(s) zuhörten. Die relevante Tonspur lief in einem festen Abstand entweder direkt vor oder direkt hinter der Testperson ab. Kleine Elektroden, die auf die Haut rund um die Ohrmuscheln aufgeklebt waren, maßen währenddessen die Aktivität der oberen und der hinteren Ohrmuskeln.
Es zeigte sich, dass die hinteren Ohrmuskeln – unabhängig vom Schwierigkeitsgrad der Höraufgabe – genau dann Aktivität zeigten, wenn der Schall von hinten kam. Die Ohrmuscheln orientierten sich also in Richtung der Schallquelle. Dies bestätigen frühere Ergebnisse der Arbeitsgruppe um Strauss, wonach nicht nur die hinteren Ohrmuskeln, sondern auch alle kleinen Muskeln rund um die Ohrmuschel daran beteiligt sind, das Ohr zu einer Schallquelle hin auszurichten (»eLife« 2020, DOI: 10.7554/eLife.54536).
Die oberen Ohrmuskeln verhielten sich dagegen anders. Sie waren unabhängig von der Richtung der Schallquelle vor allem dann aktiv, wenn die Probanden genau zuhören mussten. Bei der schwierigsten Höraufgabe ließ sich ihre größte Aktivität messen. Dies stelle möglicherweise den Versuch dar, die Ohren zu spitzen, also die Form der Ohrmuschel oder auch des Gehörgangs zu verändern, um besser zu hören, so die Interpretation der Autoren. Ob die winzigen Bewegungen tatsächlich das Hören verbessern, ist allerdings unklar.
Die Forschenden betrachten ihre Untersuchung als Grundlagenforschung. Die nun nachgewiesene Aktivität der Ohrmuskeln als Korrelat für aktives Zuhören könne bei künftigen neurowissenschaftlichen Untersuchungen andere, bereits etablierte Messgrößen ergänzen. Eine weitere potenzielle Anwendungsmöglichkeit sei die objektive Messung des Effekts von Hörhilfen.