Zu viele Antibiotikaverordnungen |
Theo Dingermann |
19.02.2025 16:20 Uhr |
Statistisch entfielen 2023 auf 1000 GKV-Versicherte 486 Antibiotikaverordnungen – fast jeder zweite erhielt also durchschnittlich eine Verordnung. / © Getty Images/Hazal Ak
Erstmals seit der Pandemie erreichen die Antibiotika-Verordnungen zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wieder das Vor-Corona-Niveau. Das ist das zentrale Ergebnis einer Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), das über die Studie in einer Pressemitteilung berichtet. In den Pandemiejahren 2020 und 2021 waren die Antibiotika-Verordnungen zurückgegangen, stiegen dann allerdings im Jahr 2022 auf 30,5 Millionen Verordnungen an und erreichten 2023 ein Niveau, das um 6,1 Prozent höher lag als vor der Pandemie im Jahr 2019.
Konkret wurden im Jahr 2023 insgesamt 323,7 Millionen Tagesdosen Antibiotika für GKV-Patienten verordnet. Statistisch entfallen damit auf 1000 GKV-Versicherte 486 Antibiotikaverordnungen. Diese teilen sich in 275 Verordnungen von Standard-Antibiotika und 211 für Reserveantibiotika auf.
Zwar blieb der Anteil der Verordnungen von Reserveantibiotika trotz des insgesamt wieder steigenden Antibiotikaeinsatzes seit 2020 mit 43,4 Prozent relativ stabil. Diese Zahl ist allerdings alles andere als beruhigend. Berücksichtigt man, dass Reserveantibiotika nur nach strenger Indikationsstellung und dem Nachweis eines multiresistenten Erregers eingesetzt werden sollten, liegt die Zahl der Verordnungen mit absolut 15,7 Millionen Verordnungen im Jahr 2023 (plus 21,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) besorgniserregend hoch.
So sieht das auch der Geschäftsführer des WIdO, Helmut Schröder, der auf die Möglichkeiten einer weiteren Verschärfung der Gefahren von Resistenzen verweist, was gerade im Falle von lebensbedrohlichen Erkrankungen dramatische Auswirkungen hätte.
Wenig neu ist die Beobachtung, dass sich in den verschiedenen Regionen Deutschlands der Antibiotikaeinsatz unterscheidet. So weisen die Verordnungszahlen der Kassenärztlichen Vereinigungen in der ambulanten Versorgung beispielsweise für Hamburg 328 Antibiotikaverordnungen je 1000 GKV-Versicherte aus, wohingegen im Saarland 539 Antibiotikaverordnungen je 1000 GKV-Versicherte registriert wurden.
Erfreulich ist, dass sich der Abwärtstrend beim Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung fortsetzt, anders als dies für die Antibiotika im humanmedizinischen Bereich der Fall ist. Maßgeblich hat hierzu eine Anpassung im Tierarzneimittelgesetz beigetragen, nach welcher der Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung auf das therapeutisch unverzichtbare Mindestmaß reduziert werden soll. Insgesamt wurden im Jahr 2023 elf Tonnen weniger Antibiotika als Tierarzneimittel abgegeben, ein Rückgang um 2,1 Prozent.