Zu früh für die Demo |
Alexander Müller |
25.09.2025 12:00 Uhr |
Gegen die Reformpläne von Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach sind die Apothekenteams zu Tausenden auf die Straße gegangen. Beim aktuellen Reformvorhaben von Ministerin Nina Warken setzt die Apothekerschaft noch auf Gespräche. / © BAV
Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD auf die Erhöhung des Packungsfixums von 8,35 auf 9,50 Euro geeinigt. Weil so konkrete Vorgaben im Vorhabenpapier einer Regierung ungewöhnlich sind und Ministerin Warken mehrfach betont hatte, sich an den Koalitionsvertrag gebunden zu fühlen, durfte die Apothekerschaft eigentlich auf die Anpassung vertrauen.
Doch in den vergangenen Wochen mischten sich in die grundsätzlichen Zusagen immer öfter Hinweise auf die schwierige Finanzlage der Krankenkassen. Und genau damit begründet Warken, die zwischenzeitlich sogar eine Sparkommission eingesetzt hat, jetzt den Rückzieher beim Honorar. »Auf Wiedervorlage« sei die versprochene Erhöhung, sagte sie in der Diskussion auf dem DAT (hier zum vollständigen PZ-Interview), erst soll die Finanzlage stabilisiert werden.
Die Delegierten quittierten das, nachdem sich der erste Schock gelegt hatte, mit einer wohltemperierten Resolution. Der Anspruch auf die versprochene Honorarerhöhung wird darin unterstrichen, gleichzeitig weiter Gesprächsbereitschaft signalisiert. Denn einerseits gilt es auch aus Sicht der Apothekerschaft problematische Punkte wie die geplante PTA-Vertretung noch aus dem Entwurf zu bekommen. Andererseits stehen in den Eckpunkten auch Vorhaben im Sinne des Berufsstandes, sodass eine Fundamentalopposition wie gegen die Pläne von Warkens Vorgänger Karl Lauterbach auch nicht angezeigt erscheint.
So ist auch der Tenor im Gesamtvorstand der ABDA, auch wenn sich einzelne Organisationen eine schnellere oder schärfere Reaktion auf Warkens Aussagen gewünscht hätten. Und es gibt die Befürchtung, dass die »FinanzKommission Gesundheit« zu lange benötigen wird, schließlich soll der erste Bericht erst Anfang 2026 vorliegen. Selbst wenn dann die Kassenfinanzen mit Maßnahmen stabilisiert werden können, wäre mit einer Honorarerhöhung nicht vor 2027 zu rechnen.
ABDA-Präsident Thomas Preis will daher erreichen, dass das Fixum doch unabhängig von der Kommission angepasst wird: »Das wichtigste wirtschaftliche Ziel ist die Erhöhung des Fixums auf 9,50 Euro. Da werden wir nicht lockerlassen und alle Hebel in Bewegung zu setzen.« Er wisse von vielen Kolleginnen und Kollegen, dass sie jetzt die Abgeordneten in ihrem Wahlkreis anschreiben, und hält das für den richtigen Weg, hier den Druck zu erhöhen. »Es ist wichtig zu vermitteln, dass die Politik hier nah am Wortbruch ist, wenn sie die 9,50 Euro nicht zeitnah umsetzt«, so Preis.
Die Kernfrage ist: Wie lange soll die ABDA weiter auf Gespräche mit dem Ministerium setzen und wann ist der richtige Zeitpunkt gekommen, mit Kampagnen oder gar Protesten die Regierung öffentlich unter Druck zu setzen? Solange nicht einmal ein Referentenentwurf auf dem Tisch liegt, dürften Demos wenig Wirkung auf die Abgeordneten entfalten. Andererseits lässt sich erfahrungsgemäß schwerer wegverhandeln, was einmal schwarz auf weiß in einem Gesetzesentwurf steht.
Abgesehen davon lässt sich der Widerstand gegen die Pläne des Ministeriums nur bedingt koordinieren, weil sich die Enttäuschung unabgestimmt Bahn bricht. Das zeigt etwa ein etwas wilder und anonymer Aufruf zu einer Kundgebung am 13. Oktober in Berlin, der der PZ vorliegt. Zu den gelisteten Forderungen zählen eine sofortige Erhöhung des Honorars auf 12 Euro sowie eine »rückvergütende Ausgleichszahlung für über 20 Jahre politische Untätigkeit« und zwar auch »für bereits geschlossene Betriebe«.
Hinter solchen Maximalforderungen lassen sich nicht einmal traditionell protestbereite Teile der Branche vereinen. Der angeblich ebenfalls adressierte Hessische Apothekerverband (HAV) hat das Schreiben gar nicht erhalten, der Vorsitzende Holger Seyfarth hält in der aktuellen Phase auch nichts von Demonstrationen: »Natürlich fehlen uns Inflationsausgleich und Honoraranpassung. Aber es liegt eine Menge im Topf und daraus müssen wir jetzt das Beste machen und in Gesprächen bleiben. Wir können uns jetzt nicht auf die Straße stellen, das macht strategisch überhaupt keinen Sinn. Denn dann kommen wir keinen Schritt weiter«, so Seyfarth gegenüber der PZ.
Diese Meinung scheint auch in den anderen Mitgliedsorganisationen vorzuherrschen. Bislang hat der ominöse Protestaufruf, der zwar gezielt, aber offenbar nicht besonders breit gestreut wurde, öffentlich nicht groß verfangen. Selbst die damit direkt angesprochene Freie Apothekerschaft versammelt sich nicht hinter dem Aufruf. Vize Reinhard Rokitta sagte gegenüber der PZ, dass er öffentliche Proteste derzeit nicht für sinnvoll halte.