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Chronopathologie

Zirkadiane Störungen als Treiber von Organfibrose

Zentrale Funktionen in Organen wie Leber, Niere und Lunge werden circadian gesteuert. Durch Störungen dieses Tagesrhythmus können chronische Erkrankungen mit Fibrose entstehen. Einen Überblick über die Zusammenhänge gibt eine aktuelle Übersichtsarbeit.
AutorKontaktTheo Dingermann
Datum 07.10.2025  12:00 Uhr

Tagsüber ist der Mensch aktiv, nachts ruht er. An diesen Tag-Nacht-Rhythmus ist auch die Funktion verschiedener Organe wie der Leber, Niere und Lunge angepasst. Störungen dieses Rhythmus etwa durch Schichtarbeit, Jetlag oder ungesunden Lebensstil fördern nachweislich die Entstehung von chronischen Erkrankungen. Welche Rolle dabei die Fibrosebildung spielt, hat ein Autorenteam um Professor Dr. Thomas F. Baumert und Dr. Atish Mukherji vom Institut national de la santé et de la recherche médicale (Inserm) an der Universität Strasburg in einem Reviewartikel im Wissenschaftsjournal »The Journal of Clinical Investigation« zusammengefasst. Die Autoren verknüpfen dabei zwei große Themen der Medizin: Zum einen die allgegenwärtige Fibrose als fehlgeleitete Wundheilungsantwort, die Gewebe vernarbt, Organe versteift und damit deren Funktionsverlust induziert, und zum anderen die Bedeutung der inneren Uhr, die zentrale Organfunktionen taktet.

In verschiedenen Organen läuft die Fibrose in ähnlichen Schritten ab. So schädigen anhaltende Stressoren Epithelzellen und lösen Entzündung aus. Zudem werden Bindegewebszellen rekrutiert, die zu kontraktilen Myofibroblasten reifen. Diese produzieren und reorganisieren Komponenten der extrazellulären Matrix. Das führt dazu, dass das Gewebe steifer und hypoxisch wird und dass die Gewebefunktionen funktionell immer weiter eingeschränkt werden, ein Kreislauf, an dessen Ende die Vernarbung des Gewebes steht.

Dabei wirken Störungen der zirkadianen Rhythmik als Katalysator, weil sie Stoffwechselprozesse, Immunantwort und Stressprogramme zeitlich entkoppelt und so ein profibrotisches Milieu befördert. Das hat in verschiedenen Organen jeweils Konsequenzen, wie die Autoren zeigen. 

Leber

Die Leber arbeitet stark nach einem Tagesrhythmus. Zahlreiche ihrer Aufgaben wie die Blutzuckersteuerung oder der Fettstoffwechsel verändern sich über den Tag. Entsprechend schwanken auch die Aktivität der Gene und die Freisetzung von Stoffwechselprodukten im 24-Stunden-Takt. Wird diese Taktung gestört, etwa durch Essen zu falschen Tageszeiten oder durch systemische Stoffwechselbelastung, entstehen zellulärer Stress, Zellschäden und entzündliche Mikromilieus, die fibrotische Programme aktivieren. Deshalb ist es verständlich, warum die heute dominierende Fettlebererkrankung, die Metabolische Dysfunktion-assoziierte steatotische Lebererkrankung (MASLD), so eng mit einer Fibrose verknüpft ist.

Niere

Auch die Niere arbeitet im Takt. Glomeruläre Filtration, Elektrolyttransport und hormonelle Achsen zeigen Tagesrhythmus-abhängige Aktivitäten. Bei einer chronischen Nierenerkrankung fällt häufig das nächtliche Blutdruck-Dipping, also der physiologische Abfall des Blutdrucks während der Nacht, aus, was mit schlechteren Krankheitsverläufen assoziiert ist. Darüber hinaus ist die zirkadiane Steuerung des Renin-Angiotensin-Systems und anderer renaler Hormone relevant. Zusammengenommen erklärt das, warum Störungen im zirkadianen Rhythmus die proinflammatorischen und profibrotischen Mechanismen einer chronischen Nierenerkrankung (CKD) befeuern können. Noch ist unklar, welche Rolle die spezifische Fibroblasten-Uhr in der Niere hier genau spielt.

Lunge

In der Lunge sind zirkadiane Muster klinisch unmittelbar sichtbar. Lungenfunktion und Symptomlast bei Asthma und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) schwanken tageszeitlich, häufig mit einer Verschlechterung in den frühen Morgenstunden. Bestimmte Epithelzelltypen dienen als Taktgeber und steuern den Lungenrhythmus. Dabei können entzündliche Prozesse und Infektionen diese Taktung ihrerseits aus dem Gleichgewicht bringen. Insgesamt deutet die vorhandene Evidenz auf einen klaren kausalen Zusammenhang zwischen Uhrstörung, chronischer Atemwegserkrankung und Lungenfibrose hin.

Klinische Implikationen

Noch finden die Erkenntnisse zur zirkadianen Biologie kaum Eingang in die klinische Praxis. Eine Ausnahme ist, dass beispielsweise bei der Behandlung von Kolon-Karzinomen mit Oxaliplatin eine verringerte Toxizität und eine erhöhte therapeutische Wirksamkeit beobachtet wird, wenn die Gabe am späten Nachmittag statt am frühen Morgen stattfindet. Zudem wurde in aktuellen Studien ein zeitabhängiges Ansprechen im Rahmen von Immuntherapien beobachtet.

Einige Proteine, an denen Medikamente ansetzen, werden von Genen codiert, die zirkadian gesteuert werden. Daher ist es sinnvoll, diese Erkenntnisse beim Einsatz der Therapeutika zu berücksichtigen. In Zukunft werden zirkadiane Schwankungen bei der Dosierung und den Zeitpunkt der Wirkstoffeinnahme stärker berücksichtigt werden als bisher. Dies gilt auch für Lebensstilinterventionen, insbesondere eine zeitlich begrenzte Nahrungsaufnahme während der aktiven Phase, die beispielsweise metabolische Parameter bei MASLD und Leberfibrose verbessern könnten.

Es bleiben aber auch noch viele offene Fragen, etwa wie Epithelzellen, Fibroblasten und Immunzellen beim Menschen zeitlich abgestimmt miteinander kommunizieren oder wie gut Ergebnisse aus Tierstudien auf den Menschen übertragbar sind. Die Autoren schlagen vor allem auch KI-gestützte Modellierungen vor, um organübergreifende Wechselwirkungen und optimale Therapiefenster zu finden.

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