Zahl der Schwangerschaftsabbrüche gestiegen |
Eine Abtreibung ist keine leichte Entscheidung. Eine Beratung ist vorgeschrieben. / Foto: Adobe Stock/fizkes
Die Zahl der gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche ist 2023 in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Es habe 106.000 Fälle gegeben und damit 2,2 Prozent mehr als 2022, teilte das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mit. Höher war die Zahl zuletzt 2012 mit 107.000 gemeldeten Schwangerschaftsabbrüchen. Zwischen den Jahren 2014 bis 2020 lag sie zwischen rund 99.000 und 101.000 Fällen.
Die Statistiker sahen in den Daten nach eigenen Angaben keine «klare Ursache» für den Anstieg im vergangenen Jahr. Den Angaben zufolge waren sieben von zehn Frauen, die 2023 einen Schwangerschaftsabbruch durchführen ließen, zwischen 18 und 34 Jahren alt. Knapp jede Fünfte war im Alter von 34 bis 39 Jahren. Die Gruppe der über 40 Jahre alten Frauen machte rund acht Prozent aus. Nur etwa 3 Prozent waren jünger als 18 Jahre. Rund 42 Prozent der Frauen hatten vor dem Schwangerschaftsabbruch noch kein Kind zur Welt gebracht.
Die weitaus meisten Abtreibungen (96 Prozent der im Jahr 2023 gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche) wurden nach der sogenannten Beratungsregelung vorgenommen. Der zufolge bleibt ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt.
Indikationen aus medizinischen Gründen und aufgrund von Sexualdelikten seien in 4 Prozent der Fälle die Begründung für einen Abbruch gewesen, hieß es. Die Eingriffe erfolgten überwiegend ambulant, davon rund 84 Prozent in Arztpraxen beziehungsweise OP-Zentren und 14 Prozent ambulant im Krankenhaus.
Strafrechtlerin Liane Wörner von der Universität Konstanz führt die Entwicklung auch auf die «Gesamtdebatte über die Streichung des Werbeverbots zum Schutz vor Schwangerschaftsabbrüchen» zurück. Dadurch habe «eine neue allgemeingesellschaftliche Diskussion eingesetzt», durch die Frauen «anders und öffentlicher mit Schwangerschaftsabbrüchen umgehen», sagte Wörner der Deutschen Presse-Agentur.
Aus Sicht von Wörner können zwar nicht alle ungewollten Schwangerschaften verhindert werden. Aber die Zahl könne gesenkt werden - nämlich mit einer kinderfreundlichen Gesellschaft, mit Hilfe für Personen in vulnerablen Lebenslagen und für Alleinerziehende, mit sexueller Aufklärung, Kitaplätzen und freien Verhütungsmitteln, wie Wörner aufzählte. «Das sind Dinge, die wir brauchen, nicht Strafrecht.»
Daphne Hahn, Gesundheitswissenschaftlerin an der Hochschule Fulda, sieht vor allem Probleme bei der Betreuung vor einem Schwangerschaftsabbruch. Frauen hätten bereits am Anfang, wenn es noch überhaupt nicht um die praktische Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs geht, Probleme und Schwierigkeiten bei der Informationssuche, «weil sie den Schwangerschaftsabbruch geheim halten wollen oder müssen und weil sie denken, dass Menschen schlecht über sie reden oder auch denken». Diese Stigmatisierung sei ein großes Thema beim Schwangerschaftsabbruch.
Regional gebe es zudem unterschiedliche Hürden: «Wir haben uns auch die regionale Versorgungslage angesehen und festgestellt, dass Frauen in manchen Regionen mehr Barrieren überwinden müssen, um einen Schwangerschaftsabbruch zu bekommen.» Beispielsweise müssten dort längere Wege in Kauf genommen werden. Auch die Preise für einen solchen Eingriff seien dort höher. «Sie haben es insgesamt schwerer, in schlechter versorgten Regionen einen Schwangerschaftsabbruch zu bekommen.» Hahn nennt als Beispiele die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg. In Großstädten gelinge der Zugang leichter, aber in den anderen Regionen machten die Frauen deutlich schlechtere Erfahrungen.