Wundversorgung steuert auf erneutes Chaos zu |
Cornelia Dölger |
03.09.2025 10:00 Uhr |
Spezielle Verbandmittel fallen ab Anfang Dezember aus der GKV-Erstattung, sofern deren besonderer Nutzen nicht durch den G-BA bestätigt ist. / © BVMed
Mit einer Erstattung wie bisher sollte eigentlich schon vor gut einem Dreivierteljahr Schluss sein. Wenn der besondere Nutzen der speziellen Wundauflagen nicht durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bestätigt ist, sollten die Produkte aus der Erstattung durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) fallen, so der Plan. Zugrunde liegt eine Änderung der Arzneimittelrichtlinie (AM-RL) aus dem Jahr 2020, mit der »sonstige Produkte zur Wundbehandlung« von Verbandmaterialien abgegrenzt wurden.
Hersteller müssen seitdem Nachweise über den speziellen Nutzen erbringen, damit ihre Produkte im Fall einer positiven Bewertung durch den G-BA in die Anlage V der AM-RL aufgenommen werden. Dafür wurden den Unternehmen mit dem Lieferengpassgesetz (ALBVVG) Übergangsfristen eingeräumt – die mehrmals verlängert wurden.
Auch der eigentlich geplante Schlusspunkt zum 1. Dezember 2024 war am Ende keiner. Zunächst folgte einige Verwirrung in den Apotheken, nachdem der GKV-Spitzenverband hatte verlauten lassen, dass die Kassen die Produkte auch ohne neue Nutzennachweise weiter erstatten würden. Hierfür fehlte aber eine Rechtsgrundlage. Letztlich übernahmen viele Kassen die weitere Erstattung, die Entscheidung blieb aber vorerst freiwillig.
Rechtssicheren Aufschub gewährte dann das Bundesgesundheitsministerium (BMG). Mit den Stimmen der ehemaligen Ampelkoalition brachte der damalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Ende Januar das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) in einer abgespeckten Version noch durch den Bundestag. Mit ins Paket kam besagte verlängerte Erstattung bis zum 1. Dezember 2025 (§ 31 Absatz 1a SGB V).
Dieses Datum rückt näher – und mit ihm offenbar ein erneutes Chaos um die Verordnungsfähigkeit. Denn nach Informationen der PZ erfüllt nur ein Bruchteil der 300 betroffenen Produkte die neuen Auflagen. Konkret nennt der G-BA nur ein einziges: Im Juni habe der G-BA erstmals ein Produkt zur Wundbehandlung in die Anlage V der AM-RL aufgenommen, so eine Sprecherin. Es handele sich um UrgoStart Tül zur Wundbehandlung von diabetischen Fußulzera. Ob und wie viele weitere Herstelleranträge es aktuell gibt, will der G-BA nicht verraten; nur positiv beschiedene Anträge würden öffentlich gemacht.
Den Ball sieht der G-BA bei den Herstellern. Diese müssten die Anträge auf eine Aufnahme in Anlage V oder auch erst mal nur zur Beratung stellen, so die Sprecherin. Möglich ist dies schon seit der Änderung der AM-RL im Jahr 2020. Doch erst seit Frühjahr 2024 dürfe der G-BA zur neuen Nutzenbewertung beraten.
Die Hersteller hatten den G-BA zuvor kritisiert. Dieser habe es versäumt, die Bewertungskriterien anzupassen, meinte etwa der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed). Ob er die Kritik aktuell aufrechterhält, bestätigt der Verband auf Nachfrage nicht. Auch auf die Frage, warum die Hersteller nicht aktiver seien, äußerte er sich nicht.
Pharma Deutschland bringt zusätzlich den Zeitfaktor ins Spiel. Die Beratungsverfahren dauern bis zum positiven Bescheid 90 Tage – was das Fristende am 1. Dezember bereits jetzt reißen würde. Es wird also knapp für womöglich die allermeisten Produkte. »Alle Unternehmen, die jetzt nicht schon längst in den Verfahren sind, werden es bis zum 1. Dezember nicht mehr rechtzeitig schaffen«, mutmaßt ein Verbandssprecher. Über die Ursachen dafür, dass es bis dato nur ein Produkt nach den neuen Bedingungen zugelassen wurde, könne man »nur spekulieren«.
Die Kassen sehen dem Datum freilich gelassen entgegen. »Die Hersteller hatten genug Zeit«, so ein Sprecher des GKV-Spitzenverbands zur PZ. Er bestätigte, dass UrgoStart Tül in Anlage V AM-RL aufgenommen wurde. »Andere sonstige Produkte zur Wundbehandlung sind mit Ablauf der Übergangsfrist dann nicht mehr verordnungsfähig, es sei denn, der G-BA hat bis dahin auch für andere Produkte den medizinischen Nutzen positiv bewertet.« Die Annahme, dass dies sehr wenige sein könnten, dass also mit dem Ende der Frist Hunderte Produkte aus der Erstattung fallen könnten, bestätigte der Sprecher.
Ob im Zweifel ein weiteres Mal verlängert werden könnte, ist unklar. Das BMG äußert sich zu einer entsprechenden Nachfrage nicht, und die Kassen wollen keine Einschätzung treffen. Das Ministerium betont gleichzeitig, dass man »die weiteren Entwicklungen der Nutzenbewertungsverfahren entsprechend aufmerksam beobachten« werde, so ein Sprecher. Denn dem Ministerium sei es »ein wichtiges Anliegen, dass die bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Verbandmitteln und weiteren Wundbehandlungsprodukten auch weiterhin sichergestellt ist«.