Wundversorgung fliegt teilweise aus der Erstattung |
Cornelia Dölger |
28.11.2024 14:30 Uhr |
Demnächst erstattet die GKV »sonstige Produkte zur Wundbehandlung« nicht mehr. / © IMAGO/Zoonar
Die »sonstigen« Produkte zur Wundbehandlung unterscheiden sich von Verbandmitteln, indem sie durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkweise die Heilung der Wunde aktiv beeinflussen können. Ihr spezieller Nutzen für die Wundbehandlung muss nachgewiesen werden – sobald am 2. Dezember eine Übergangsfrist für Hersteller abgelaufen sein wird, die seit 2020 galt.
Dann braucht es den Beleg beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) auf Antrag des Herstellers, ansonsten werden die Produkte von der GKV nicht mehr erstattet. Die Regelungen zu »sonstigen Produkten zur Wundbehandlung« finden sich in § 31 Absatz 1a SGB V.
Dass das Erstattungs-Aus nun für etwa 300 Produkte tatsächlich droht, hat mehrere Ursachen. Kritiker sehen darin ein Versäumnis des G-BA. Dieser habe seit 2020, als die Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) geändert wurde, um Verbandmittel von »sonstigen Wundbehandlungsprodukten« abzugrenzen, keine angepassten, transparenten Bewertungskriterien für diese bestimmten Nutzennachweise definiert, so etwa die Kritik vom Bundesverband Medizintechnologie (BVMed).
Zudem seien Antragstellung und die vom G-BA geforderten Studiennachweise sehr aufwändig, monierte der BVMed. Es gebe seit dem Frühjahr zwar ein Beratungsrecht beim G-BA, allerdings sei dieses erst nach anhaltender Kritik von Herstellern und Verordnenden eingeführt worden – und auch dafür würden Bewertungskriterien benötigt.
Hinzu kommt das Ampel-Aus. Weil Rot-Grün keine Mehrheit mehr hat und nicht auf die Zustimmung der Opposition beim Beschluss von Gesetzen hoffen kann, fallen viele Vorhaben unter den Tisch, so auch das geplante Gesetz zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit. Es sollte Mitte November im Bundestag beschlossen werden, flog aber von der Tagesordnung.
Damit ist auch ein Änderungsantrag der Ampel passé, der eine nochmalige Verlängerung der Übergangsfrist um 18 Monate gefordert hatte und an das Gesetz angehängt werden sollte. Übergangsfristen waren im Zuge des Lieferengpassgesetzes (ALBVVG) eingeführt worden. Zwei Mal war die Regelung schon verlängert worden, um Herstellern Zeit für die Nachweise einzuräumen.
Nun ist also endgültig Schluss. Nach dem Ende der Frist werden die Produkte ohne den entsprechenden Beleg sowie einen Antrag des Herstellers nicht mehr in die Anlage Va der AM-RL aufgenommen – und fliegen damit aus der Erstattung.
Der Deutsche Apothekerverband (DAV) machte heute darauf aufmerksam, dass sich für Apotheken ein uneinheitliches Bild darstelle. So seien die Hersteller nur teilweise der verpflichtenden Meldung bei der IFA nachgekommen. Daher könne es vorkommen, dass ein Original bereits korrekt als »Verbandmittel § 31 SGB V = Nein« gemeldet ist, während Importe oder namensgleiche Produkte fälschlich noch als Verbandmittel gemeldet sind.
Die Meldung des Herstellers und damit die Angabe im ABDA-Artikelstamm sei verbindlich, unterstreicht der DAV. Die Apotheke habe also keine Prüfpflicht, ob ein Produkt richtig gemeldet ist.
Für umgemeldete Produkte gelte, dass diese im Artikelstamm Plus V in die VDB-Gruppe 30.06 (=Medizinprodukte* mit Verbandmittelcharakter) eingruppiert werden, für die es in der Einzelverordnung keine und im SSB nur teilweise Berechnungsregeln gebe.
In der Einzelverordnung führe dies letztendlich zur Anzeige »keine liefervertragliche Regelung vorhanden« in der Apothekensoftware, erklärt der DAV. Für eine reibungslose Abrechnung rät der DAV »unbedingt« davon ab, Original und Import beziehungsweise namensgleiche Produkte auszutauschen.
Auch die Hersteller informieren über den Wechsel und raten zur Rücksprache mit der verordnenden Arztpraxis. So meldete der Hersteller Hartmann, dass seine Produkte Atrauman® Ag sowie Hydrosorb® Gel betroffen seien. Er warnt: »Bei Abgabe dieser Produkte nach dem 02.12.2024 drohen Rückforderungen der Kassen oder Null-Retax. Sollten Sie dennoch eines dieser Produkte auf einem Rezept wiederfinden, empfehlen wir, mit der verordnenden Stelle über eine erstattungsfähige Alternative zu sprechen.«