Wirtschaft & Handel
Das britische Gesundheitsministerium erwägt, den seit 41 Jahren in
Großbritannien gültigen Preisbildungsmechanismus für Arzneimittel
abzuschaffen beziehungsweise "grundlegend" zu reformieren.
Gesundheitsminister Frank Dobson wirft der Arzneimittelindustrie vor,
durch Winkelzüge Preise und Gewinnspannen nach oben zu treiben und
damit den Steuerzahler unnötig zu belasten. Forschungstreibende
Arzneimittelhersteller im Königreich weisen die Vorwürfe zurück.
Preise für verschreibungspflichtige Medikamente, deren Kosten vom National
Health Service (NHS) übernommen werden, werden in Großbritannien seit nunmehr
41 Jahren mittels des Pharmaceutical Price Regulation Scheme (PPRS) festgelegt.
Dabei handelt es sich um eine freiwillige Abmachung zwischen Industrie und
Gesundheitsministerium. Die letzte PPRS-Abmachung stammt aus dem Jahre 1993.
Derzeit verhandeln Gesundheitsministerium und die Association of British
Pharmaceutical Industry (ABPI) neu. Die Verhandlungen gestalten sich dem
Vernehmen nach schwierig, mit einem schnellen Abschluß ist nach Informationen der
PZ nicht zu rechnen.
Das Gesundheitsministerium will die Winkelzüge nicht mehr mitmachen: "Diverse
Hersteller haben die Lücken im PPRS genutzt, um sich zu bereichern", so eine
Sprecherin. "Das geht zu Lasten des Steuerzahlers und ist nicht fair." Laut
Gesundheitsministerium sind diverse große Hersteller in jüngster Zeit dazu
übergegangen, neue und Therapiefortschritt bringende Präparate nicht länger selbst
zu vermarkten, sondern statt dessen Lizenzen an kleinere Unternehmen zu vergeben.
Da das PPRS zwar die Gesamtgewinne des Unternehmens nach oben hin deckelt,
nicht aber die Preise für einzelne Präparate begrenzt, können Unternehmen in der
Regel höhere Preise verlangen als Hersteller, die auf Grund ihres größeren
Sortiments höhere Gesamtgewinne erzielen. Indirekt wird daher mit einer
Abschaffung des PPRS und Stopfung dieser Lücke gedroht.
Die ABPI wies die Vorwürfe zurück. "Lizenzverträge gehören seit Jahrzehnten zum
preispolitischen Instrumentarium aller großen Pharmahersteller", so ABPI-Sprecher
Richard Ley. Es sei Unsinn, zu behaupten, Hersteller nutzten Lizenzverträge in
unzulässiger Weise aus, um ihre Preise und Gewinne zu erhöhen. Immerhin nimmt
der Verband die Drohungen ernst genug, um hinter den Kulissen diverse Lobbyisten
zu engagieren, um die verantwortlichen Gesundheitspolitiker von einer
PPRS-Reform oder -Abschaffung abzuhalten.
PZ-Artikel von Arndt Striegler, London
© 1997 GOVI-Verlag
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