Wirtschaft & Handel
"Die Onkologie ist der angestammte Bereich der Asta Medica.
Tumorforschung ohne Gentechnik ist in Zukunft nicht mehr möglich",
erklärte Professor Dr. Axel Kleemann, Vorstandsmitglied der Asta Medica
AG, die jüngsten Aktivitäten seiner Firma in Sachen Gentechnologie auf
einer Pressekonferenz. Um auch weiterhin den Fuß in der Tür zu haben,
habe man zusammen mit der FrankGen Biotechnologie AG die MainGen
Biotechnologie GmbH gegründet. Immerhin besagen Zukunftsprognosen,
daß 20 Prozent aller bisherigen Therapien im Jahr 2005 einen
gentherapeutischen Ansatz haben werden.
MainGen Biotechnologie wird Produkte zur somatischen Zell- und Gentherapie und
der gentechnischen Diagnostik entwickeln und vertreiben. Das neu gegründete
Unternehmen ist ein Joint-Venture, an dem die beiden Gründerfirmen zu je 50
Prozent beteiligt sind. Asta Medica übernimmt für zunächst fünf Jahre alle
anfallenden Kosten. Die Stammeinlage von MainGen beträgt 100 000 DM. Die
neue Firma wird ihren Sitz in den Betriebsräumen der Asta Medica in Frankfurt
haben und kann somit von der Infrastruktur eines Pharmakonzerns profitieren.
FrankGen stellt Know-how
Die erst im Oktober 1996 von Wissenschaftlern und Medizinern gegründete
FrankGen stellt ihr wissenschaftliches Know-how und ihre Verwertungsrechte auf
dem Gebiet der somatischen Zell- und Gentherapie und der biomedizinischen
Grundlagenforschung zur Verfügung. MainGen bietet die Möglichkeit, daß
engagierte Wissenschaftler von Hochschulen ihre Forschungsergebnisse schnell zur
Anwendungsreife bringen können. Bisher sind diese oft aus finanziellen Gründen in
den Kinderschuhen steckengeblieben: Für die Universität sind Patentanmeldungen
unbezahlbar.
"Schutzwürdige Erfindungen werden an der Universität oft nicht zum Patent
angemeldet. Da wären schnell 10 000 bis 20 000 DM beisammen; aber an der Uni
gibt es dafür keinen Topf", bestätigte Professor Dr. Dieter Hoelzer, Direktor der III.
Medizinischen Klinik am Universitätsklinikum Frankfurt, Mitbegründer der
FrankGen und Mitarbeiter der MainGen. Außerdem ermögliche die
Firmenneugründung, Projekte längerfristig zu verfolgen. Bisher seien Arbeiten oft auf
die Beschäftigungsdauer eines Doktoranden limitiert. Die Zusammenführung von
Industrie und Hochschule ist für uns der sinnvollste Weg des Technologietransfers",
sagte Kleemann.
Beteiligung an US-Biotechfirma
Obwohl Asta Medica selbst bisher kein biotechnisch hergestelltes Arzneimittel auf
dem Markt hat, zeigte das Unternehmen in letzter Zeit Engagement auf diesem
Gebiet. Mit der Beteiligung an der US-Biotechfirma Sugen, Kalifornien, und der
Übernahme von Europeptides, Paris, bestehen für die Firma weitere Möglichkeiten
zur Entwicklung neuartiger Krebstherapeutika und Peptidarzneistoffe mit
molekularbiologischen Methoden.
Wichtigstes Projekt der Konzernforschung ist derzeit der LHRH-Antagonist
Cetrorelix. Das modifizierte Decapeptid soll bei Tumoren, deren Wachstum von
Sexualhormonen stimuliert wird - etwa Uterus-Myom oder Prostatakrebs - die
Ausschüttung dieser Hormone verhindern und damit chirurgische Eingriffe überflüssig
machen. Für diese Indikationen ist Cetrorelix in Phase II der klinischen Prüfung. Die
Zusammenarbeit erfolgt auch hier mit der Hochschule, und zwar mit dem
Nobelpreisträger Andrew Schally aus den USA.
Zu den Hauptarbeitsgebieten der MainGen Biotechnologie gehören die Gewinnung
von Blutstammzellen, die Tumorpatienten nach Hochdosistherapie transplantiert
werden, und die Entwicklung von Verfahren zur Vermehrung der Blutstammzellen in
Kultur. Man erhofft sich neue Impulse von einer Kooperation mit chinesischen
Wissenschaftlern. Chinesische Familien haben meist nur ein Kind.
Knochenmarktransplantationen durch Geschwister, wie es bei uns der Fall ist, sind
also nicht möglich. Deshalb haben chinesische Wissenschaftler Nabelschnurbanken
angelegt, um aus dem Nabelschnur-Restblut Stammzellen zu gewinnen und zu
vermehren.
Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt von MainGen ist die Entwicklung verbesserter
retroviraler Genvektoren für die Behandlung von soliden Tumoren und von
monogenen Erbkrankheiten wie der chronischen Granulomatose. Mit speziellen
Vehikeln, sogenannten Gentaxis, wird fremde intakte Erbsubstanz in die Zielzelle
eingeschleust. Nachdem die neue genetische Information am Chromosom verankert
wurde, zerstören sich die Gentaxis selbst. Schwierigkeit bisher: Das Ersatzgen ist in
den Körperzellen nicht lange genug aktiv. Erst dann wäre die Krankheit dauerhaft
geheilt.
PZ-Artikel von Elke Wolf, Frankfurt
© 1997 GOVI-Verlag
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