Wirtschaft & Handel
Am 16. März hat Hoechst Marion Roussel (HMR), die Pharmatochter
der Hoechst AG, ihre Anlage zur Herstellung von rekombinanten
Humaninsulin in Betrieb genommen. Bundesforschungsminister Dr. Jürgen
Rüttgers startete die Anlage in Frankfurt-Höchst per Mausclick.
"Heute ist ein guter Tag für die Biotechnologie in Deutschland", sagte Rüttgers, der
den Beginn der gentechnischen Herstellung von Humaninsulin als Ereignis von
wirtschaftspolitischer Bedeutung bezeichnete. Es gebe heute in Europa keinen
Standort, der bessere Bedingungen für biotechnologische Forschung und Produktion
biete als die Bundesrepublik Deutschland.
HMR erwarte durch die Inbetriebnahme der Anlage einen Umsatz mit Humaninsulin
von 260 Millionen DM, sagte Dr. Heinz-Werner Meier, Vorsitzender der
Geschäftsführung von HMR Deutschland. Dadurch würden in Frankfurt 250
qualifizierte Arbeitsplätze langfristig gesichert. Gleichzeitig verbesserten sich auch die
Perspektiven des Unternehmens im weltweiten Wettbewerb. Mit der
konventionellen Herstellung von Insulin aus Bauchspeicheldrüsen von
Schlachtschweinen habe HMR den internationalen Markt nicht bedienen können.
Das rekombinante Insulin werde voraussichtlich zum Jahresende in deutschen
Apotheken verfügbar sein, kündigte der HMR-Chef an. Hergestellt wird das
Pankreashormon in Escherichia-coli-Bakterien, in die das Gen zur Produktion von
Humaninsulin eingeschleust wurde. Durch diese Manipulation werde die Pathogenität
des Bakterienstammes nicht erhöht, betonte Meier. Die Bakterien besiedelten
nachweislich weder den menschlichen noch den tierischen Darm.
Wie aus den Unterlagen von HMR hervorgeht, produzieren die E.coli-Bakterien
nicht das fertige Humaninsulin, sondern ein Fusionsprotein, das die
Aminosäuresequenz des Proinsulins enthält. Durch die enzymatische Abspaltung von
zwei Aminosäureketten wird daraus das C-Peptid herausgelöst.
Die Synthese des Humaninsulins geschieht bei HMR in drei Produktionsschritten. Im
ersten Abschnitt (Fermtec) werden die Bakterien in Fermentern gezüchtet und
vermehrt. Am Ende der Fermentation werden sie abgetötet. Danach werden die
Bakterienzellen in einer weiteren Anlage (Chemtec) aufgeschlossen, das
Fusionsprotein wird isoliert und gereinigt. Anschließend wird das gereinigte Protein
in die richtige Raumstruktur gefaltet und mit Hilfe von Trypsin das C-Peptid
abgespalten. Im dritten Produktionsschritt (Insultec) wird nach einer
chromatographischen Reinigung das C-Peptid durch eine weitere enzymatische
Reinigung in Humaninsulin umgewandelt.
Auf einer Pressekonferenz vor Inbetriebnahme der Anlage war Meier auf das
langwierige Genehmigungsverfahren für die gentechnische Produktionsanlage
eingegangen. Am 14. September 1984 hatte Hoechst den Antrag für die
Fermtec-Anlage gestellt. Erst nach zwei richterlichen Entscheidungen des
Verwaltungsgerichtes Frankfurt im September 1990, in denen Klagen gegen die
Produktionsanlage zurückgewiesen wurden, konnte Hoechst die Anlage fertigstellen
und die Genehmigung für den Produktionsbetrieb einreichen.
Weiter verzögert wurde die Insulinherstellung durch die Entwicklung eines neuen
Produktionsverfahrens zur Spaltung des Fusionsproteins mit umweltfreundlichem
Trypsin. Hoechst hatte diese Produktionsmethode zwischen 1993 und 1995
entwickelt. Der Zulassungsantrag für den neuen Syntheseweg wurde im September
1997 bei der EMEA in London eingereicht. Die Zulassung von gentechnisch
hergestelltem Insulin nach dem überholten älteren Verfahren wurde zwar im Februar
1997 erteilt, doch die EMEA-Zulassung für das neue Verfahren steht noch aus.
HMR rechnet mit einem positiven Bescheid innerhalb der nächsten Monate. Bis
dahin soll auf Halde produziert werden.
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Frankfurt am Main
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