Wirtschaft & Handel
Warum die Hoechst Marion Roussel AG umstrukturiert werden muß,
begründete Richard J. Markham, Vorsitzender des Vorstandes, auf der
Bilanzpressekonferenz am 11. März 1998 in Frankfurt mit der Feststellung:
Anfang der achziger Jahre war Hoechst das größte pharmazeutische
Unternehmen der Welt. Heute, nach dem Erwerb von Roussel Uclaf und
Marion Merrell Dow, steht das Unternehmen an achter Stelle. Ohne diese
Akquisitionen gehört Hoechst nicht einmal mehr zu den größten 20
Pharma-Unternehmen der Welt.
Zu dieser allgemeinen Feststellung gesellen sich noch weitere Fakten, die eine
Umstrukturierung nach Meinung des Vorstandsvorsitzenden notwendig werden
lassen: 1997 war Hoechst Marion Roussel (HMR) unter den Top Ten der
Pharmariesen das einzige Unternehmen, dessen Umsatzerlöse real gerechnet
abgenommen haben. Außerdem werden nur fünf Prozent des Umsatzes aus dem
Verkauf innovativer Produkte erzielt. Bei Wettbewerbern waren es im Schnitt 20
Prozent. Das Sortiment von HMR ist nach Meinung Markhams überaltert und zu
fragmentiert. Außerdem werden zu wenige Produkte global vermarktet. "Wenn wir
ein anderes Ergebnis anstreben, dann müssen wir viele Dinge anders anpacken", so
die Folgerungen aus der negativen Analyse Markhams. Um den alten Rang wieder
zu erlangen, verordnet der Vorstand dem Unternehmen ein stringentes Konzept:
Forcierung der Suche nach innovativen Arzneimitteln, Trennung von
Generika-Unternehmen und von rezeptfreien Medikamenten und Verkauf wenig
profitabler Wirkstoff-Produktionen.
Konzentration auf das Kerngeschäft
Nach der Errichtung des globalen "Drug Development Center" in Bridgewater/ New
Jersey glaubt Markham, die richtigen Prioritäten für die Zukunft setzen zu können.
Ziel ist es, die verfügbaren Ressourcen so zuzuteilen, daß eine schnellere weltweite
Produkteinführung innovativer Arzneimittel möglich wird. Von bisher 10 bis 15
Jahren soll die Entwicklungszeit bis zur Markteinführung auf sechs bis neun Jahre
verkürzt werden. In der Vergangenheit sei es zu oft vorgekommen, daß
vielversprechende Produkte aufgegeben oder gebremst wurden, weil das dafür
notwendige Geld wegen hoher Infrastrukturkosten oder mangelhafter strategischer
Orientierung fehlte. Diese Fehler will man zukünftig nicht mehr machen. Auf die
öffentliche Kritik eingehend, daß die Forschung bei HMR vernachläßigt würde, wies
Markham ausdrücklich darauf hin, daß die Ausgaben für Forschung und
Entwicklung 1999 in etwa die gleiche Höhe wie 1997 haben wird - mit dem
Unterschied, daß 1999 ein größerer Anteil des Geldes für die Entwicklungsprojekte
ausgegeben werden wird. Ohne konkret zu werden betonte Dr.Dr. Frank L.
Douglas, im Vorstand für Forschung und Entwicklung zuständig, daß der Standort
Deutschland auch in der Zukunft im Bereich Forschung eine wesentliche Rolle
spielen wird: "Frankfurt wird der größte Forschungsstandort bleiben."
Man habe durchaus Verständnis für die inzwischen auch öffentlich geäußerte Angst
viele Mitarbeiter um ihren Arbeitsplatz. Markham lehnte es allerdings in der
Pressekonferenz ab, Einzelheiten über die weitere Personalentwicklung zu machen,
da man zur Zeit in "sensiblen Verhandlungen" mit den Mitarbeitern sei. Markham
fügte hinzu, es sei ihm lieber, bezüglich der Verunsicherung der Mitarbeiter um
Verständnis zu bitten, als die Verantwortung dafür zu tragen, jetzt nicht die
notwendigen Schritte zu unternehmen, um HMR zu einem stärkeren,
konkurrenzfähigeren und stabileren Unternehmen zu machen - um ein Stück Zukunft
zu gewinnen.
Die Entwicklungsaktivitäten von HMR konzentrieren sich gegenwärtig auf neun
Produkte: Propentofyllin (Alzheimer Demenz), ein rekombinantes Humaninsulin,
Risedronat (Morbus Paget, Osteoporose), Cariporid (akutes Koronarsyndrom), ein
basales Insulin mit Langzeitwirkung, Trimegeston (Osteoporose,
Hormonsubstitution), M 100907 (Schizophrenie), Ketolid (Atemwegsinfektionen)
und ein genaktiviertes Erythropoetin. Kurz vor der Zulassung steht außerdem
Leflunomid zur Behandlung der rheumatischen Arthritis.
Senkung der Herstellungskosten
Nach Meinung Markhams sind die Herstellungskosten mit 30 Prozent des Umsatzes
zu hoch. Bei den Mitbewerbern lägen sie durchschnittlich bei rund 20 Prozent. Die
sich ergebene Konsequenz sei, der Abbau überschüssiger Kapazitäten, die
Trennung von wenig profitablen Produktlinien und die Verbesserung der
Arbeitsabläufe in den Betrieben. Auch hier betonte der Vorstand, daß für den
Standort Frankfurt als Produktionsstätte trotz der Umstrukturierung kein Risiko
bestände.
PZ-Artikel von Hartmut Morck, Frankfurt am Main
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